Bibelkommentar zu Markus 16, 9-20
Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten.
8. April 2017, 21:58
Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen. Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird's ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden. Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber zogen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen.
Diese Verse gehören gar nicht zum eigentlichen Markusevangelium. Erst vor 1800 Jahren wurde dieses Stück an das Markusevangelium angehängt. Viel zu beunruhigend war das letzte Wort, das da ursprünglich war.
Das ursprünglich letzte Wort im Markusevangelium ist uns bis heute überliefert. Es ist Vers 8 im letzte Kapitel des Evangeliums und lautet so Mk 16,8: "Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich." Zittern, Entsetzen, Verstummen und Furcht: Schrecken ist um und um. Das ist doch kein Ende! Das ist kein Ende für den Weg Jesu, dieses spurlose Verschwinden, diese Leere. Nie würde er sich solcherart entziehen. Nie würde er uns im leeren Grab allein zurücklassen. Das ist kein Ende. Auf diese Beunruhigung Antwort zu geben versuchen die gerade gehörten Verse, beruhigend und beunruhigend zugleich.
"Hat er uns allein gelassen?" -Die Antwort ist für glaubende Menschen beruhigend: Der Auferstandene kommt den Seinen entgegen. Der Auferstandene lässt die Seinen nicht allein, er geht ihnen nach. Der Auferstandene zeigt sich: erst der Maria Magdalena im Garten, dann den beiden Jüngern auf dem Weg übers Feld nach Emmaus. An das Johannesevangelium und an das Lukasevangelium erinnern diese Hinweise an die erste Zeugin, an die ersten Zeugen. Angesichts des Schreckens rufen sie in Erinnerung: Der Auferstandene hält sich nicht verborgen. Gott hält sich nicht verborgen.
"Hat er uns allein gelassen?" - Die Antwort ist aber auch beunruhigend: Die Seinen entziehen sich, sie weichen zurück: Zu unheimlich, zu unerhört ist die Nachricht von der Auferstehung Jesu. Die Menschen, die Jesus am nächsten stehen, verweigern sich. Sie können nicht fassen, was sie hören. Sie glauben es nicht. Die ersten Erscheinungszeugen können die andern nicht überzeugen. Diesen Unglauben betonen die letzten Verse des Markusevangeliums. Zweimal wird gesagt: "und sie glaubten nicht".
Erst etwas Unerhörtes bringt diesen Unglauben ins Wanken: "Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen."
Bei dieser Schimpferei müsste man dabei gewesen sein! Wie begossene Pudel sitzen sie da, die Herrn. (So stelle ich es mir vor.) Das Brot ist ihnen aus den Händen gefallen, der Schreck in alle Glieder gefahren. Aber in ihren Herzen brennt es wie Feuer: Er lebt. Er ist da, greifbar und nah. Er ärgert sich über uns? - Ja tatsächlich, das muss er sein, unverwechselbar, niemand ärgert sich über uns wie er. In ihren Herzen brennt es wie Feuer: Er ist wahrhaftig auferstanden. Etwas Unerhörtes geschieht: Sie lassen das Unerhörte in ihr Leben hinein. Sie lassen den Unerhörten in ihr Leben hinein. Da beginnt das Neue, das hinausführt aus der Furcht. Er beginnt neu mit ihnen. Er führt sie hinaus aus dem Verstummen.
So deuten die letzten Verse des Markusevangeliums den allerersten Anfang des Osterglaubens. Aber diese "verspätet" angehängten Verse haben noch etwas zu sagen. Sie sprechen aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, aus einer Zeit, in der die Generation der Frauen am Grab und der elf Apostel schon lange vergangen war. Diese Verse sprechen die Nachgeborenen an, die Späten.
Angesprochen sind diejenigen, die Jesus während seines geschichtlichen Lebens im ersten Jahrhundert nicht kennen gelernt haben. Angesprochen sind hier die Späten, die den Auferstandenen eben nicht wiedererkennen können als den Mann, der er war vor dem Kreuz. Zu den Späten gehöre ich auch. Ich war nicht fischen mit ihm, war nicht mit ihm auf den staubigen Landstraßen. Ich habe seine Stimme nie gehört, seine Hand nie in meiner Hand gespürt. Ich kann ihn nicht wiedererkennen als den, der er vorher war, vor dem Kreuz. Mit einer Erscheinung des Auferstandenen, mit einer unerhörten Schimpferei kann mein Unglaube nicht überwunden werden. Nachgeborene wie ich brauchen eine andere Hilfe. Gerade zu ihnen, zu den Späten, sprechen die letzten Verse des Markusevangeliums, beunruhigend und beruhigend zugleich. Lapidar lautet es hier:
"Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden."
"Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden." - Was soll diese Drohung? Unerhört, wie kommt er dazu. Das kann man doch nur zurückweisen, das sollte man zurückweisen. Lassen Sie mich aber einen Augenblick ganz nah am Text bleiben. Die Drohung ist hier dem Auferstandenen in den Mund gelegt, und sie richtet sich an die elf Jünger, die gerade noch voll Unglauben waren.
Ausgerechnet zu denen, deren Unglauben er gerade selber überwunden hat, ausgerechnet zu denen sagt Christus diese Drohung. Das heißt: Es geht um eine Warnung, um eine Ermahnung. Es geht um eine Schimpferei, unsere eigene Schimpferei. Das ist aber keine Aufforderung zum Richten über andere Menschen. Kein Mensch kann wissen, ob ein anderer Mensch glaubt. Nein, bei der eigenen Nase sollen sich die Nachgeborenen nehmen.
"Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden." - Da beginnt das Neue, da beginnt das Unerhörte. So lautet das Versprechen am Ende des Markusevangeliums: Christus, der Auferstandene, will neu beginnen - auch mit den Nachgeborenen, mit den Späten. Auch die Nachgeborenen will er von der Herzenshärte befreien. Auch den Nachgeborenen ist Christus nahe, dass sie neu leben.