Kremsmünster-Anklage - warum erst jetzt?

Drei Jahre nach Bekanntwerden hunderter Fälle von sexueller Gewalt in der katholischen Kirche, gibt es jetzt eine Anklage gegen den 79-jährigen Ex-Internatsdirektor im oberösterreichischen Stift Kremsmünster. Der Fall hätte wohl früher aufgedeckt werden können: Es hat in den vergangenen Jahren auch Ermittlungen gegen andere Patres und Ex-Patres aus Kremsmünster gegeben.

Morgenjournal, 10.4.2013

System vor Gericht

Wenn es zu einem Prozess kommt, dann steht nicht nur ein vermutlich psychisch kranker Mensch vor Gericht sondern auch ein System Kremsmünster. So zumindest sehen es manche Opfer des heute 79-jährigen Ex-Internatsdirektors. Sie meinen ein System des Schweigens und Vertuschens. Denn gegen den Internatsdirektor habe es spätestens 1995 schon Missbrauchsvorwürfe im Stift gegeben. Das nämlich hat der Angeklagte sogar selbst im Jahr 2008 gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt - laut Akten, die Ö1 zugespielt wurden. Ein Missbrauchsbetroffener, der anonym bleiben will sagt: "1995 wurde er zitiert zu den Stiftsoberen und ihm nahegelegt, sein Amt als Konviktdirektor zurückzulegen, weil es Vorwürfe gab bezüglich des sexuellen Missbrauchs."

Hoffnung auf Aufklärung

Publik wurden die Vorwürfe damals nicht, als der Fall Groer in Österreich für Aufsehen sorgte. Strafanzeige hat offenbar weder das Stift noch ein Opfer erstattet. Der Internatsdirektor zahlte laut Gerichtsakt dem Opfer eine Entschädigung und blieb doch noch drei Jahre an der Schule. Der heutige Sprecher des Klosters, Pater Bernhard, sagt zu den damaligen stiftsinternen Ereignissen: "Wir haben alle Protokolle der Sitzungen angeschaut, und es wurde nirgends erwähnt, dass ihm sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Was in Zweiergesprächen gelaufen ist mit früheren Vorgesetzten, die wir heute nicht mehr befragen können, können wir schwer sagen." Das Stift hoffe auf Aufklärung durch einen Gerichtsprozess und ein vom Stift beauftragtes deutsches Institut.

Fälle verjährt

Fest steht schon jetzt, dass 2007 ein Ex-Schüler erstmals erfolglos Anzeige erstattet hat. Bei seiner Befragung durch die Staatsanwaltschaft gab der Ex-Internatsdirektor damals sogar eine pädophile Neigung zu. Außerdem könnte der wegen sexuellen Missbrauchs an zahlreichen Patienten verurteilte verstorbene Arzt Franz Wurst eine Rolle gespielt haben. Wurst habe ihm in Kremsmünster empfohlen, die Genitalien der Schüler zu kontrollieren, lautete eine Rechtfertigung des Ex-Internatsdirektors. Dennoch wurden die Ermittlungen 2008 eingestellt. Laut Staatsanwaltschaft Steyr war der konkrete Fall verjährt. Erst ab 2010 wurde neuerlich ermittelt, weil sich mit dem österreichweiten Aufbrechen des Missbrauchsskandals an die 50 Kremsmünsterer Opfer gemeldet haben. Die Polizei hat ursprünglich dann gegen zehn Stiftsangehörige ermittelt, wegen Gewaltvorwürfen, und gegen drei Patres wegen Missbrauchsvorwürfen. Bis auf die besonders schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Internatsdirektor sind laut Staatsanwaltschaft alle Fälle verjährt.

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