Prokrastination

Eigentlich wollte ich heute Vormittag zuhause arbeiten: Richtig produktiv sein und eine Kolumne schreiben.

Dann dachte ich: Ach, ein Kaffee geht sich noch aus. Ich trank den Kaffee, sah mir nebenbei ein paar Katzenvideos auf YouTube an. Die waren echt lustig. Das musste ich gleich auf Facebook teilen. Auf Facebook sah ich einen witzigen Cartoon zum Thema Pferdefleisch – echt zum Wiehern! – das kommentierte ich gleich.

Da fiel mir ein: Ich wollte schon länger ein Software-Update für iTunes herunterladen. Die fünf Minuten sollten sich gerade noch ausgehen: Also öffnete ich das Musik-Programm und hörte mir zuallererst ein paar Lieder an. Parallel dazu recherchierte ich, welche meiner Lieblingsbands nach Wien kommt. Wow, cool, wer alles in Kürze auftritt! Da musste ich gleich Konzertkarten kaufen. Klick, klick, wo ist denn jetzt schon wieder meine Kreditkarte?

Irgendwie ist die Zeit verflogen. Jetzt ist es plötzlich 16 Uhr und ich habe nichts Sinnvolles gemacht. Nichts! Keine Kolumne verfasst, nichts recherchiert. Nur Katzenvideos geschaut, facegebooked und online Geld ausgegeben. Vermutlich brauche ich eine Therapie: Gegen Prokrastination – also gegen die schlechte Angewohnheit, unwichtige Dinge zu tun, wenn man doch wichtige Dinge zu tun hätte.

Wir alle sind prokrastinations-süchtig. Die Wirtschaftskammer Oberösterreich behauptet: Österreichische Angestellte verbringen im Schnitt 29 Minuten pro Arbeitstag mit privaten Tätigkeiten. Sie plaudern mit den Kollegen oder surfen im Internet herum. Na klar, das Netz ist voller Verlockungen. Facebook, YouTube, Twitter. Der Arbeitnehmer ist schwach: Klickt und klickt und kickt anstatt zu arbeiten.

Wobei, so wenig hackeln die Österreicher gar nicht. Im internationalen Vergleich sind wir eine extrem produktive Nation. 75 Prozent der Arbeitnehmer fühlen sich sogar gestresst, ergab dieselbe Studie im Auftrag der Wirtschaftskammer. Doch das betont die Wirtschaftskammer nicht.

Ich hege den Verdacht: Wir arbeiten gar nicht zu wenig, sondern zu viel. Prokrastination ist keine Krankheit, sondern ein Selbstschutz, um nicht direkt ins Burnout zu rasen.

So, meine Kolumne ist jetzt fertig. Hat sich fast selbst geschrieben, nachdem ich stundenlang im Netz herumgesurft bin. Also, liebe Arbeitnehmer: Brav weitersurfen – und ein bisschen entspannen!

Text: Ingrid Brodnig, Falter-Redakteurin und Kolumnistin für Ö1