Opus - das Musikkolloquium

Ausgegraben! Komponisten auf dem Seziertisch

Der Gerichtsmediziner Christian Reiter im Gespräch über die Mythen und Fakten zu den Todesursachen von Beethoven, Schubert und Co

Dem Tode nahe fühlt sich Beethoven im Oktober 1802. Im berühmten Heiligenstädter Testament offenbart er seinen Brüdern Karl und Johann das ganze Ausmaß seines Leidens. Vor allem schildert er die Verzweiflung über seine fortschreitende Ertaubung - ein Schicksalsschlag, dessen Ursprung er in einem Flohbiss und der darauffolgenden Typhus-Erkrankung sieht.

Rund zwanzig Jahre später schreibt Franz Schubert einen Brief, in dem er bekennt: "Ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten Menschen der Welt." Auch er vermerkt die immer weiter fortschreitenden Symptome einer Krankheit. Er wird zunehmend korpulenter, und die so charismatischen Locken gehen ihm aus. Auch Schubert leidet an Typhus.

Doch war es tatsächlich so? Der Gerichtsmediziner Christian Reiter hat - wenn auch nicht die sterblichen Überreste in ihrer Gesamtheit - doch immerhin kleine Fragmente beider Komponisten untersucht. Eine einzige Haarlocke genügt ihm dabei, um mit geschultem Blick und mithilfe moderner Technik erstaunliche Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf und schließlich die Todesursachen ans Licht zu bringen.

Man taucht über die Schicksale der beiden Komponisten in eine Zeit ein, die auf den Gemälden der Epoche so unschuldig und idyllisch wirkt: den Biedermeier. Reißt man jedoch die glänzende Bühnenfassade eines Nestroy nieder, bleibt ein recht armseliges Bild. Beethoven und Schubert sind in der Musik vielleicht Titanen, doch als Menschen waren sie Kinder ihrer Zeit. Ein großer Teil der Wiener Bevölkerung lebt in Armut, zehn Prozent der Bevölkerung sind Prostituierte. Krankheiten verbreiten sich rasend schnell - davor sind auch die Komponisten nicht gefeit. Auch wenn man sagt, ihre Musik sei unsterblich: Beethoven und Schubert waren es nicht.

Sendereihe

Gestaltung

  • Rudolf Aigmüller