EU-Saatgutverordnung: "Ende der Vielfalt"

In 20 Jahren könnte es weltweit nur mehr fünf Apfelsorten geben, oder drei besonders ertragreiche Erdäpfel-Sorten: Die Umweltschutzorganisationen Global 2000, Greenpeace und die Arche Noah skizzieren ein ökologisches Horrorszenario - das Ende seltener und alter Obst- und Gemüsesorten. Denn die EU-Kommission plane eine neue EU-Saatgut-Verordnung, die den Anbau von Obst und Gemüse restriktiv regeln soll.

Mittagsjournal, 16.4.2013

Zum Nutzen der Konzerne

Viele seltene und alte Sorten von Obst, Gemüse und Getreide könnten aufgrund unüberwindbarer bürokratischer Hürden aussterben, warnen Global 2000 und Arche Noah. "Die Nutznießer sind wieder mal die Agrarkonzerne", kritisierte Heidemarie Porstner, Agrarsprecherin von Global 2000.

Dem Entwurf zufolge müssten sich laut den Umweltschutzorganisationen seltene und bäuerliche Sorten künftig dem gleichen Zulassungsverfahren unterziehen wie Industriesorten, um weitergegeben werden zu dürfen. Ein wesentliches Entscheidungskriterium dabei ist, dass die Pflanzen möglichst uniform sein sollten - was bei alten, nicht industrialisieren Sorten kaum möglich ist. "Seltene Sorten können diese Tests aus biologischen Gründen nicht bestehen und wären damit von der Weitergabe ausgeschlossen. Es handelt sich hier klar um eine unzulässige Diskriminierung", sagte Iga Niznik, Referentin bei Arche Noah.

Bedrohte Vielfalt

Bauern und Gärtner, die selbst vermehrtes Saatgut auf einem Markt ohne Sortenzulassung trotzdem weitergeben wollen, drohe ein Verwaltungsstrafverfahren. "Ich würde mich plötzlich an Rande der Legalität bewegen", klagte der Demeter-Landwirt (ökologischer Anbau auf anthroposophischer Grundlage, Anm.) Martin Allram. Doch nicht nur einzelne Betriebe, sondern die Grundlage des menschlichen Lebens wäre den Umweltschutzorganisationen zufolge bedroht. "In den vergangenen hundert Jahren haben wir weltweit etwa 75 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Vielfalt verloren. Aber wir brauchen die Vielfalt. Über Jahrhunderte hat sich gezeigt, dass alte und seltene Sorten Resistenzen gegen Schädlinge aufbauen können", so Porstner.

Online-Petition

Porstner erwartet den endgültigen Vorschlag der EU-Kommission für Mitte 2013. Derzeit bestehe also "noch die Chance, den EU-Abgeordneten und Ministern klarzumachen, dass sie die EU-Staatgutverordnung stark verbessern müssen". Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, haben Global 2000 und Arche Noah eine Online-Petition ins Leben gerufen, die unter www.freievielfalt.at unterzeichnet werden kann. "Wir möchten selbst bestimmen, was bei uns auf die Teller kommt", forderte Porstner. (Text: APA, Red.)