EU-Bürgerinitiative: Schwächen in der Praxis
Seit einem Jahr gibt es die Europäische Bürgerinitiative - ein länderübergreifendes Volksbegehren, das von mindestens einer Million EU-Bürgern unterstützt werden muss, damit sich die Kommission mit dem Anliegen befasst. Doch es zeigen sich große Schwächen in der Praxis und es wird offensichtlich, dass die Bundesregierung Versprechen nicht hält, mit denen sie die Zustimmung der Opposition zum Beschluss der Europäischen Bürgerinitiative bewegt hat.
8. April 2017, 21:58
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Morgenjournal, 19.4.2013
Bürokratische und technische Hürden
Die Europäische Bürgerinitiative soll den Bürgern mehr Mitsprache geben - ganz im Sinne des Volksbegehrens für mehr Demokratie, das diese Woche zur Eintragung in den Gemeinde-Ämtern aufliegt. Doch der Start ist holprig, auch weil die Verantwortlichen Warnungen in den Wind geschlagen haben. In Österreich sind Reisepass und Passnummer zum Nachweis der Identität notwendig. Eine hohe Hürde, wie sich jetzt zeigt. Das bestätigen Vertreter der bisher erfolgreichsten, von den europäischen Gewerkschaften getragenen Initiative für das Recht auf Wasser ebenso wie die Initiative gegen Forschung an menschlichen Embryos aus fundamental-katholischen Kreisen. Die Angabe der Passdaten halte viele vom Unterschreiben ab und sorge für Verwirrung.
Reinhard Uhrig, Geschäftsführer der Umweltschutz-Organisation Global 2000, weiß auch von massiven technischen Hürden beim Online-Sammeln von Unterschriften zu berichten: "Man stellt sich das so vor: Man bekommt eine Open-Source-Software von der EU und kann damit Unterschriften sammeln - weit gefehlt. Man muss da einiges noch nachschärfen an dieser Software. Man muss die zertifizieren lassen, was große Kosten verursacht. Man braucht Programmierer und Geld schon allein für diesen Schritt."
Bei Kommission abgeblitzt
Global 2000 hat im Vorjahr die allererste Bürgerinitiative angemeldet - gegen Atomkraft, und ist damit abgeblitzt. Die Kommission hatte sich für unzuständig erklärt. Man habe sich dann mit Brüssel auf einen Text geeinigt, doch für das Neueinbringen der Initiative habe das Geld nicht mehr gereicht, sagt Uhrig: "Wir haben gesagt, wir legen das zunächst einmal auf Eis, bis die Kommission dieses Tool der Bürgerinnenbeteiligung nachgeschärft und wirklich bürgerfreundlich angelegt hat."
Keine Bemühungen der Regierung
Die Grünen haben die Probleme mit Reisepass und Online-Sammelsystem schon früh erkannt und - es war eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich - sich ausbedungen, dass in Brüssel Verbesserungen durchsetzt. Sie hat es bis heute nicht einmal versucht, gibt die zuständige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in einer aktuellen Anfragebeantwortung zu. Man habe bisher keine Unterstützungserklärung für Europäische Bürgerinitiativen vorliegen, daher auch keine Erfahrungswerte, und daher sei es bisher nicht angezeigt gewesen, an die EU-Kommission heranzutreten, so Mikl-Leitner. Das sei eine absurde Argumentation, findet die Grün-Abgeordnete Daniela Musiol: "Weil die Initiativen momentan gar keine Möglichkeit haben, so leicht eine Initiative einzubringen. Das ist mit Kosten und technischem Aufwand verbunden, und in Österreich zusätzlich noch damit, dass Menschen einen Reisepass und einen Personalausweis bräuchten." Mikl-Leitner hätte daher längst aktiv werden müssen, so die Grüne Verfassungssprecherin, zumal die ÖVP sich gern als Vorreiterin der direkten Demokratie in Szene setze. Zuletzt hat ÖVP-Obmann Michael Spindelegger den Ausbau der direkten Demokratie sogar zur Bedingung für die nächste Koalition gemacht.