Architektur - Status Quo Vadis

Welche gesellschaftlichen Aufgaben wird die Architektur haben? Was kann sie zu sozialer Gerechtigkeit und zu ökologischer Nachhaltigkeit beitragen? Und wie können Architekten mit den langfristigen Folgen der Finanzkrise umgehen?

DC Tower

(c) Techt, APA

Das sind Fragen, mit denen sich die Österreichische Gesellschaft für Architektur seit 2009 in einer Veranstaltungsreihe mit dem Übertitel "Status Quo Vadis" befasst. Jetzt ist zu diesem Themenschwerpunkt eine Publikation erschienen, eine Ausgabe des traditionsreichen Architekturtheorie-Magazins "UmBau".

Kulturjournal, 22.04.2013

Bauboom in den 1990ern zu Ende

Die Architektur befindet sich im Umbruch, meinen die Herausgeber der Publikation "Status Quo Vadis", die sich der "Zukunft der Architektur als Prognose und Programm" - so der Untertitel - widmet. Mit Einsetzen der Wirtschaftskrise 2008 war der seit den 1990er Jahren anhaltende Bauboom zu Ende. Diese Krisensituation habe für Architekten bedeutet, dass es so nicht weitergehen könne, sagt Andreas Vass, Architekt und Mitherausgeber von "Status Quo Vadis".

Eingeleitet wird diese Ausgabe des Magazins "UmBau" mit einem Manifest von Wilfried Wang. Der Hamburger Architekt ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit nicht nur mit Energieeffizienz, sondern auch mit der Bewahrung von Bestand erreichbar ist. Gerade mit krisenbedingter Sparpolitik werde jedoch oft das Gegenteil erreicht. Wang beschreibt ein Beispiel aus Portugal:

Ein Schulgebäude stand kurz vor der Fertigstellung. Wegen Geldmangels wurde das Projekt eingemottet - was zu dessen Verfall führt. "Es geht nicht, diese Sparpolitik umzusetzen. Und an Bildung und Gesundheit zu sparen, ist schon überhaupt falsch", meint Wang.

Braucht Hamburg die Elbphilharmonie?

Während bestehende Gebäude systematisch vernachlässigt und somit dem Abbruch preisgegeben würden, so Wang, werden Großprojekte entgegen dem Willen der Bevölkerung durchgesetzt - oft mit explodierenden Kosten und fragwürdigem Nutzungsbedarf.

Bekannte Beispiele sind das Verkehrs- und Städtebau-Großprojekt Stuttgart 21, sowie die Elbphilharmonie Hamburg. Seit sechs Jahren wird das Hamburger Prestigeprojekt gebaut, die Eröffnung soll nach derzeitigem Stand 2017 stattfinden. Wie viele andere stellt Wilfried Wang in Frage, ob die Stadt dieses Bauwerk überhaupt brauchen würde. Er kritisiert aber auch die städtebauliche Lage im Hafen, wo es nicht ausreichend Zufahrtswege für 2.000 Konzertbesucher gibt. "Das ist eine vorprogrammierte Katastrophe", so Wang.

Renovierung statt Neubau

Wilfried Wang kritisiert, dass in den letzten beiden Jahrzehnten die Architektur zunehmend auf ihre Abbildbarkeit reduziert wurde, das heißt: Architekten entwerfen Landmarks, und die Politik verlangt prestigeträchtige Ikonen, ob Verkehrs- oder Kulturbauten. Wang fordert ein Umdenken ein.

Ein Weg aus dem Teufelskreis könnte die Nutzung von bestehendem Baubestand sein. Anstatt auf grüner Wiese neu zu bauen sei es notwendig, Bausubstanz zu erhalten, zu adaptieren und durch Anbauten zu erweitern. Der Umbau von Häusern macht für viele Architekturbüros einen großen Teil ihrer Arbeit aus, er wird jedoch weder in der Architekturgeschichtsschreibung, noch in den Medien oder seitens der Politik ausreichend wertgeschätzt.

Für Architekten und Architektinnen wird es notwendig sein, ihr Selbstverständnis zu überdenken, meint Wilfried Wang, wenn sie den allgemeinen Entwicklungen nicht nur hinterherlaufen, sondern diese aktiv mitgestalten wollen.

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