Die unerschöpfliche Vielfalt des Francois Couperin
Klatschbase und zarte Wehmut
Couperin, Francois, "Le grand"! Er war vielleicht der erfolgreichste und möglicherweise der Glücklichste in der langen Reihe jener Musiker-Dynastie, die unter anderem drei Jahrhunderte lang den Organisten an der Kirche St. Gervais in Paris innehatte.
8. April 2017, 21:58
Er, Francois, war freilich auch am Hof beschäftigt. Seine zahlreichen Werke (veröffentlicht in 27 "ordres") erzählen weniger vom Leben unter Herzögen und Königskindern als von Begegnungen im Alltag, auf den Straßen von Paris, bei Tag und zur Nacht. Da eine verliebte Nachtigall, dort eine Gruppe von Handwerken, hier ein blühender Obstgarten, dort ein geschwätziges Marktweib, da eine Träne an der Wange eines jungen Mannes, dort die "baricades misterieuses" - womit die Wimpern einer schönen Frau gemeint waren, "geheimnisvolle Hindernisse" am Weg zu ihrem Blick.
Poetischer geht's nicht! Couperins Welt erklingt am Cembalo ebenso plastisch wie am modernen Flügel, so ihn einer zum Singen bringt wie der israelische Jung-Meister Iddo Bar-Shai. Er erreicht zwar nicht die makellose Brillanz, die Alexandre Tharaud mit derselben Musik vor ein paar Jahren vorlegte, aber daran hat auch der etwas gedämpfte Aufnahme-Klang Anteil. Freilich gelingen Bar-Shai manche subtil vernebelten Arpeggien so geheimnisvoll wie - eben der Wimpern-verhangene Blick einer unbekannten Schönen. Im Titel-gebenden Stück schließlich lässt er überzeugend das "wunderbare Echo aus den geheimnisvollen Tiefen der Traurigkeit von Watteaus Figuren" erklingen, wie Claude Debussy meinte.
Les Ombres Errantes. Mirare/harmonia mundi
Albert Hosp, 26.4.2013