1968 - Die Antibabypille
Wir befinden uns heute im legendären Jahr 1968 und unser Gegenstand ist eine kleine weiße Tablette der Marke Anovlar, die damals eine ungeheure gesellschaftliche Sprengkraft entfaltet hat. Umgangssprachlich als Antibabypille bekannt, hat sie nicht weniger als die sexuelle Revolution mit ausgelöst.
27. April 2017, 15:40
Auf den Markt gebracht hatte die Pille die deutsche Schering AG. Das war 1961 und geschah damals ohne öffentliche Werbung und fast verschämt, erzählt Roswitha Muttenthaler, Historikerin am Technischen Museum Wien. Konservative Kreise begegneten der "Pille" mit offener Ablehnung - damals war die Pille verschreibungspflichtig und wurde aus moralischen Gründen nur an verheiratete Frauen abgegeben.
Eine Zeitzeugin erinnert sich: "Sogar noch in Wien herrschte tiefste Nachkriegszeit, 1950er Jahre ohne Ende, prüde und bigott. Ein Mädchen hatte seine Jungfräulichkeit zu hüten, voreheliche Sexualität galt als Herumhurerei. Das war nicht nur die Spießigkeit der Verhältnisse, das waren auch wir selbst, das hatten wir verinnerlicht. Über Sex und die Nazizeit durfte nicht geredet werden."

(c) Schering Archiv, Bayer AG
Dabei war bei der Eheschließung jede dritte Frau schwanger oder sogar bereits Mutter. Fortschrittliche Kreise liefen deshalb gegen diese Doppelmoral Sturm und die Zeitschrift "Konkret" rief unter der Überschrift "Freiheit für die Pille" zu einer Aktion auf.
Papst Paul VI. versuchte es dennoch und gab am 25. Juli 1968 ein Rundschreiben aus, das umgangssprachlich als "Pillenenzyklika" bekannt wurde. Darin hieß es, "dass jeder einzelne eheliche Akt nur dann sittlich gut ist, wenn er für die Weitergabe des Lebens offen bleibt". Zuvor waren katholische Laienkreise und sogar 75 Nobelpreisträger gegen das drohende päpstliche Verbot angerannt. Der Papst blieb aber bei seinem "Nein" zur Geburtenkontrolle. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten, fielen jedoch anders aus als erwartet.
Die Pille setzte sich zwar durch, an ihrer Verbesserung wurde aber fortwährend weitergearbeitet. Und das war auch dringend notwendig, denn die abgegebene Hormonmenge war weit überhöht, wie sich später herausstellte. Nicht nur Feministinnen monierten damals, dass mit der Pille die Verhütung allein zur Sache der Frau wurde. Gefordert wurde deshalb eine Pille für den Mann, die aber trotz jahrzehntelanger Forschungen bis heute nicht auf den Markt gekommen ist.