"Bienenstreit" in Koalition spitzt sich zu
Der Koalitionsstreit über ein Verbot von Pestiziden, die für das Bienensterben verantwortlich gemacht werden, nimmt an Schärfe zu. Es gibt Studien, die diesen Zusammenhang nachweisen, doch Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) ist das noch zu wenig, er ist gegen ein Verbot. Die SPÖ erhöht jetzt den Druck und verlangt eine freie Abstimmung darüber - Justizsprecher Hannes Jarolim beruft sich auf Gewissensnotstand der Abgeordneten.
8. April 2017, 21:58
(c) Rumpenhorst, DPA
Mittagsjournal, 2.5.2013
"Bestehendes Risiko"
Es war der Befund der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, der die EU-Kommission alarmiert hat: Demnach sollen die umstrittenen Pestizide nur bei Nutzpflanzen verwendet werden, die für Honigbienen uninteressant sind. Ein Risiko für Bienen durch das Ausbringen der Pestizide bestehe und sei in weiteren Bereichen, die noch zu untersuchen seien, nicht auszuschließen, so die EU-Behörde.
"Hochgiftig" für Honigbienen
Auch das angesehene österreichische Umweltbundesamt ist in einer Studie für das Europäische Parlament zu einem bedrohlichen Befund gekommen und empfiehlt, den Einsatz der Neonicotinoide für zwei Jahres auszusetzen. Das entspreche dem Vorsorgeprinzip, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Umweltbundesamtes Karl Kienzl. Die umstrittenen Pestizide, die in der Landwirtschaft breit eingesetzt werden und daher auch eine entsprechende Lobby haben, seien hochgiftig für Honigbienen und eine von mehreren Ursachen für das Bienensterben - aber eine immer bedeutendere, so die Analyse.
Lobbying-Vorwurf gegen Berlakovich
Die Opposition läuft Sturm gegen den ÖVP-Umweltminister, der diese Ergebnisse so nicht zur Kenntnis nehmen will. Die Kritik, dass die ÖVP Lobbying für die Chemieindustrie betreibe, wird damit untermauert, dass bei einer Anhörung im Parlament zu dem Thema nicht etwa ein Bauernvertreter von der ÖVP nominiert worden ist - sondern Hans Theo Jachmann, Leiter des Pflanzenschutzbereichs beim Pestizid-Hersteller Syngenta.
SPÖ will freie Abstimmung
Und jetzt reicht es auch der SPÖ. Parteichef Faymann hat gestern beim Maiaufmarsch in Wien Spitzen gegen die ÖVP abgeschossen. Und jetzt will die SPÖ-Fraktion im Parlament gegen den Koalitionszwang für ein nationales Verbot dieser Pestizide stimmen. Justizsprecher Hannes Jarolim: "Es darf nicht Gegenstand einer politischen Vereinbarung sein, Menschen und Umwelt zu vergiften." Aus dem könne man ableiten, dass kein Abgeordneter gegen seine eigene Gesinnung abstimmen könne, daher sei das ein "Paradefall" für eine freie Abstimmung.
Jarolim beruft sich auf einen "Gewissensnotstand", in dem sich jeder einzelne Abgeordnete befinde: "Wenn er sich in den Spiegel schaut und sagt, ich gehe heute zu einer Abstimmung wo ich die Möglichkeit habe Vergiftungen zu beenden, so wie man es vernünftigerweise erwarten würde. Oder wir geben ein Ja dazu, dass wir weiter diese Giftmittel in die Umwelt absetzen und damit auch die Menschen , die Kinder gefährdet. Und das kann kein Mensch verlangen."
In der SPÖ-Fraktion brodle es, sagt Jarolim. Die Abstimmung im Landwirtschaftsausschuss erfolgt am 15. Mai. Es wäre das erste Mal, dass sich die Koalitionsparteien überstimmen.