Blinde Richter auch in Österreich

In Deutschland gibt es 70 blinde Richter, und auch der Generalstaatsanwalt von Paris ist blind.
Auch Österreich hat jetzt erkannt, dass juristische Berufe auch für blinde Menschen zugänglich gemacht werden sollten. Bei einer Enquete der Rechtsanwaltskammer waren sich in diesem Punkt Richter, Staatsanwälte, Notare und Rechtsanwälte einig.

Morgenjournal, 04.05.2013

1. Pilotprojekt fix

Ein Entschließungsantrag im Parlament hat für den nötigen Druck gesorgt, zumindest ein Pilotprojekt ist nun fix: Am neu geschaffenen Bundesverwaltungsgericht wird es erstmals einen Arbeitsplatz für einen blinden Juristen geben. Der Posten ist einem Richter zugeordnet. Der künftige Präsident des Verwaltungsgerichts Harald Perl erwartet sich Erkenntnisse für den Alltag der Arbeit von blinden Richtern: "Es einfach in der Praxis zu sehen, auf welche Herausforderungen stoßen wir, welche Hilfsmittel sind notwendig, wie sieht die Praxis für jemanden aus, der den Richterberuf ausüben möchte."

Erfahrungen deutscher Richter

In Deutschland blickt man auf eine lange Tradition zurück, was den Beruf des Richters für Blinde angeht. Derzeit gibt es 70 blinde Richter in Deutschland, eine von ihnen ist Petra Bungart. Sie ist Richterin am Amtsgericht Duisburg. Ihre Aufgaben sind vergleichbar mit jenen von Bezirksrichtern. Hauptargument gegen blinde Richter in Österreich ist, dass Beweise unmittelbar, mit allen Sinnen aufzunehmen seien. Dem Argument hält Richterin Bungart ihre jahrelange Erfahrung vor allem auch bei Lokaugenscheinen entgegen und erzählt wie sie einen Fall gelöst hat, bei dem um Schimmel in der Wohnung gestritten wurde: "Dann ist es so, dass ich einen Schimmelfleck an der Decke nicht sehen kann. Es ist aber so, dass ich dann hingegangen bin und mir von den Parteien genau beschreiben lassen, wie sieht der Fleck aus, welche Farbe hat er, wie groß ist er. Ich habe meine Rechtsreferendarin dabei. Und dass ich das dort vor Ort so ins Protokoll aufnehme, dass man sagt, das hat man objektiviert festgelegt." Es sei auch falsch zu glauben, dass sie nur weil sie nicht sehen, nichts aufnehmen könne: "Ich habe einen Zollstock, der ist mit Blindenschrift gekennzeichnet, ich kann selbst ausmessen, ich kann Beschädigungen ertasten, Entfernungen abgehen." Außerdem habe sie natürlich einen entsprechenden Braille-Computer und eine persönliche Assistentin.

Blinder Polizeijurist in Oberösterreich

Ähnlich argumentiert Alexander Niederwimmer, blinder Polizeijurist in Oberösterreich: "Man ist dort nicht alleine unterwegs, man hat die Kriminalbeamten dabei, es ist der Amtsarzt dabei. Und hier muss man eines dazu sagen: Natürlich dauern diese Kommissionierungen wesentlich länger, aber - und dieses Echo ist schon sehr oft gekommen - sie sind genauer. Es ist ein anderer Zugang. Viele von den Kriminalbeamten sind nachher gekommen: auf das haben wir gar nicht geachtet." Das Ergebnis der Enquete der Rechtsanwaltskammer ist eindeutig: Es sollen die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass künftig auch in Österreich der Richterberuf für blinde Menschen möglich ist.