Hörspiel-Zweiteiler von Marie von Ebner-Eschenbach
Die Gräfin und das Gemeindekind
Am bekanntesten ist ohne Frage ihr Hund. Oder genauer: Die Geschichte des treuen Hundes Krambambuli, der sich zwischen seinem ersten Herren, einem Landstreicher, und seinem zweiten, einem Oberförster nicht entscheiden kann und am Ende für seine Treue mit dem Leben bezahlt.
8. April 2017, 21:58
Die Geschichte wurde unzählige Mal erzählt, verkitscht, verklärt - und mehrfach verfilmt. Zuletzt in einer Bearbeitung von Felix Mitterer mit Tobias Moretti als Wilderer und Gabriel Barylli als Oberförster Walch. Doch Marie von Ebner-Eschenbach, 1830 als Freiin Dubský in Mähren geboren, war alles andere als eine Art Rosamunde Pilcher des neunzehnten Jahrhunderts. In Wien, wo sie alsbald lebte, absolvierte sie - völlig ungewöhnlich für eine Frau ihres Standes und ihrer Zeit - eine Uhrmacherlehre. Später schrieb sie, wenn auch zunächst nur mit mäßigen Erfolg, Gesellschaftsstücke und Lustspiele, bis ihr 1876 mit ihrem Kurzroman "Bozena" der literarische Durchbruch gelang. Es folgten "Aphorismen", "Dorf- und Schlossgeschichten" - darunter die Novelle "Krambambuli" -, "Lotti die Uhrmacherin" und schließlich 1878 ihr überaus erfolgreicher Roman "Das Gemeindekind".
(c) gemeinfrei
Vergleichbar ihrer Zeitgenossin Bertha von Suttner war Marie von Ebner-Eschenbach der festen Überzeugung, dass Worte und Schriften den Lauf der Dinge beeinflussen und verändern können. "Es gäbe keine soziale Frage", schrieb sie, stets auf das Gute im Menschen vertrauend, "wenn die Reichen von jeher Menschenfreunde gewesen wären". Mit ihrem "Gemeindekind", einem sozialkritischen Entwicklungsroman, wendet sich Marie von Ebner-Eschenbach vehement gegen die zu ihrer Zeit vorherrschende deterministische Vererbungstheorie. Einer Theorie, die bestehende Zustände - und damit bestehende Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten - wissenschaftlich als gottgegeben und unveränderbar zu bestätigen sucht. Menschen, so lautete hingegen Marie von Ebner-Eschenbachs Credo, sind nicht allein Sklaven ihrer Herkunft und Opfer ihrer Umstände. Sie können sich, bei entsprechendem Willen, aus ihren Fesseln befreien.
Marie von Ebner-Eschenbach blieb als Schriftstellerin bis in ihr hohes Alter aktiv. Ihre späten Stücke liefen in Berlin mit großem Erfolg, und selbst das habsburgische und alles andere als fortschrittliche Österreich wusste, was es an seiner "Gräfin" hatte. 1898 wurde sie mit dem höchsten zivilen Orden, dem Ehrenkreuz für Kunst und Literatur, ausgezeichnet, im Jahre 1900 erhielt sie den ersten weiblichen Ehrendoktor der Universität Wien. Nach dem Tod ihres Mannes unternahm sie noch als 70-jährige mehrere Reisen nach Italien und veröffentlichte 1906 unter dem Titel "Meine Kinderjahre" ihre Lebenserinnerungen. Marie von Ebner-Eschenbach starb, 85-jährig, am 12. März 1916 in Wien.