Neues Buch von Gidon Kremer

Der Geiger Gidon Kremer ist einer der bedeutendsten lebenden Interpreten für Klassik und zeitgenössische Musik. Und Kremer äußert sich immer wieder auch schriftlich. Sein neues Buch heißt "Briefe an eine junge Pianistin" und warnt junge Talente davor, ihre Begabung um des Erfolgs willen zu verraten, wie Kremer formuliert.

In Büchern wie "Kindheitssplitter" oder "Obertöne" hat Gidon Kremer nicht nur aus seinem Leben berichtet, sondern auch seine Sicht auf Musik, Musiker und den Klassikmarkt vermittelt. Um letzteres geht es auch in seinem neuen Buch "Briefe an eine junge Pianistin", das im Braumüller Verlag erschienen und gestern in der Österreichischen Nationalbibliothek präsentiert worden ist.

Jung, klassischer Musiker und schon ein Topstar : Dafür bezahlt man heutzutage in der Regel mit sehr vielen künstlerischen Kompromissen, und einem hohen Maß an Fremdbestimmtheit. Die mächtige Plattenfirma und die mächtige Agentur reden ein gutes Wort mit, was der junge Geiger oder die junge Pianistin aufnehmen soll, und vor allem was nicht: Nicht Unbekanntes und Unvertrautes - weil nur gewinnbringende Investitionen erwünscht sind. Und, gepushte Jungtalente bekommen oft ein styling verpasst, das als Softkitsch aus der etwas spießigeren Kosmetikwerbung durchgeht, aber nicht das Image einer ernstzunehmenden Künstlerin vermittelt.

Um solche Zustände geht es Gidon Kremer in den "Briefen an eine junge Pianistin", denen ein realer Brief zugrunde liegt - an wen, wird nicht verraten. Wirst Du durch eine große PR-Maschinerie schnell erfolgreich, begehrt und umsatzstark - dann nimm das nicht als Beweis, dass Du Deine Sache künstlerisch gut machst ! Diesen Appell richtet Gidon Kremer an alle großen Musikbegabungen.

Die "Briefe an eine junge Pianistin" ermöglichen eine Innensicht der Klassikbranche, die vielleicht noch nie so kommerzialisiert war wie heute. Wie funktioniert die schleichende Verführung durch Ruhm wirklich? Der gefährliche Hang, dass man es künstlerisch zu billig gibt, weil ohnehin applaudiert wird? Kremer gibt in dem Buch freimütig zu, dass er selbst in seiner Jugend diese Verlockung gespürt hat. Und wie unbequem es war und ist, dann eben doch - wie Gidon Kremer - unbequem zu sein.

Tritt nicht mit jedem gehypten Kollegen auf, den Dir das Management einreden möchte. Verweigere Dich auch manchmal - nimm nicht jedes Angebot. Als positives Beispiel unter den Jüngeren nennt Kremer seinen Nachfolger als Leiter des Kammermusikfests Lockenhaus, Nikolaus Altstaedt. Der lehnte einen Plattenvertrag mit einer großen Firma ab, weil die Bedingungen für ihn künstlerisch nicht passten.

In dem Buch ist Kremer bemüht, sich nicht als Besserwisser aufzuspielen. Das gelingt ihm recht gut. Auch weil er das, was er einfordert, doch weitgehend vorlebt: Künstlerische Integrität. Das heißt bei einem Geiger: Nicht die Musik ist für ihn da, sondern er für die Musik.