Glosse von Severin Groebner

Ein Deutscher in Margareten

Wenn man "ein Deutscher in Margareten" hört, denkt man natürlich sofort an... aber nein, diesen Witz mach ich nicht. Der kommt zwar im bildungsbürgerlichen Gewand daher, ist aber doch nur eine schmierige Zote. Und sowas macht man nicht. Zumindest nicht auf Ö1. Und schon gar nicht am Vormittag.

Nein. Konzentrieren wir uns also auf Margareten. Das ist bekanntlich der fünfte Wiener Gemeindebezirk, benannt nach Margarete von Antiochia. Diese Margarete wurde heilig, weil sie mit brennenden Eisen gefoltert wurde, ihre Wunden aber dennoch schnell wieder heilten. Die Dame war also hart im Nehmen. Und das sollte man in Margareten bis heute sein. Trotzdem ist klar, dass sich ein Deutscher dort wohl fühlt. Noch dazu, wo der Mann aus Duisburg kommt. Denn Duisburg ist so hässlich, also wirklich so grindig, also schiach, auf gut Deitsch gsagt, dass einem Margareten dagegen wie blühende Landschaften vorkommen muss. Und von "blühenden Landschaften" träumt der Deutsche ja bekanntlich gerne - wenn auch meist vergeblich.

Überhaupt sind die Ähnlichkeiten zwischen dem 5. Bezirk Wiens und Deutschland unübersehbar. Deutschland hat den Rhein, Margareten die Wien, in Deutschland wurde im Krieg viel bombardiert, Margareten auch, in Deutschland wohnen viel Türken, ebenso in Margareten, in Deutschland gibt es in allen kleinen Städten, die das Wort "Bad" im Namen tragen (z. B.: Baden-Baden) Casinos, in Margareten an jeder zweiten Ecke eine Spielhölle - dafür hat auch die Buchhandlung der Volkshochschule zugemacht. So wie auch in Deutschland öffentliche Bildungseinrichtungen vermehrt geschlossen werden.

In Margareten gibt es die Arbeitergasse, in der kaum noch Arbeiter wohnen, in Deutschland die ehemalige Arbeiterpartei SPD, die kaum noch von Arbeitern gewählt wird. Kommt einem auch bekannt vor, gell? Und in Margareten gibt's den Hundsturm, so wie auch in Deutschland sehr viele Menschen eine krankhafte Liebe zu kackenden, bellenden und sonst gänzlich nutzlosen Vierbeinern pflegen.

Doch bei all den Parallelen gibt es doch gewichtige Unterschiede: ein Kaffeehaus, wie den Rüdigerhof, findet man in ganz Germanien nicht, ein Kino wie das "Filmcasino" wird man lange suchen müssen und dass die Zentrale des Magistrats 48 für Abfallwirtschaft und Straßenreinigung, vulgo die 48er, hier zu finden ist, macht Margareten, wenn schon nicht zum Herz, dann zumindest zur Leber der Stadt. Und wenn man jetzt noch weiß, dass sowohl Hans Hölzl, also Falco, als auch Jean Julier, also Hans Moser, von hier kommen, dann kann man getrost diesen Meidlinger zitieren, der da einst folgenden Satz von sich gab: "Wannst nimmst Wien... ja... des is die Hauptstadt von Österreich und die Hauptstadt von Wien ist dann Margareten!"

So sprach er einst, der Meidlinger. Nur dass er natürlich "Meidling" statt Margareten damals gesagt hat. Aber was weiß denn schon der...

Und so ist es also ganz logisch, dass es den Germanen (auch wenn er in Duisburg eigentlich schon fast ein Holländer ist) in den fünften Bezirk zieht, weil das nämlich schon bei Goethe steht! Schließlich hat der ein ganzes Drama verfasst, in dem es vorrangig darum geht, dass Faust, also ein Deutscher, nichts unversucht lässt, nur um einmal "in Margareten zu sein".

Ach, jetzt hab ich ihn doch gemacht...