Wahl: Pakistanis trotzen dem Terror

86 Millionen Wahlberechtigte sind heute in Pakistan aufgerufen, Lokal- und Bundesparlamente zu wählen. Der Wahlkampf stand im Schatten von unzähligen Terroranschlägen, auch heute am Wahltag selbst gab es wieder Tote und Verletzte. Trotzdem sehen die Menschen in Pakistan diese Wahl als letzte Chance gegen den Kollaps des Landes und lassen sich von der Stimmabgabe nicht abschrecken.

Mittagsjournal, 11.5.2013

Reportage aus Islamabad von

Stolz auf Demokratie

Es ist das übliche Chaos in Pakistan auf einer Straße vor einem Wahllokal in Islamabad. Doch es ist mehr als das ortsübliche Durcheinander. Es herrscht so etwas wie Volksfeststimmung. Denn egal wen man hier befragt: Es sind immer die gleichen Sätze man heute hört. "Wir sind stolz, es ist ein historischer Moment, und wir sind hier um etwas zu verändern."

Was die Menschen hier so stolz macht? Dass es erstmals in der Geschichte des Landes ein ganz normales Ende einer Legislaturperiode gibt. Ohne Putsch, ohne vorzeitige Auflösung des Parlaments: "Es ist das erste Mal in der 65-jährigen Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung die Macht an demokratisch gewählte Nachfolger übergibt. Und jetzt hoffen wir natürlich dass die frei gewählten Abgeordneten mehr für unser Land tun. Für die Geschäftsleute – aber auch für die einfachen Bürger."

Für Viele zum ersten Mal

Viele gehen heute das erste Mal zur Wahl, so wie dieser junge Mann mit seinen Schwestern. Nach der Stimmabgabe posieren sie vor dem Wahllokal für ein Foto: "Ich habe das erste Mal gewählt. Das ist ein besonderer Moment. Für viele ist es die erste Wahl. Auch für meine Schwestern. Deshalb die Fotos." - Viele sind Erstwähler, aber nicht weil sie so jung sind: "Wir hätten schon das letzte Mal wählen dürfen. Aber wir haben keinen Sinn darin gesehen. Diesmal aber wählen wir."

Der Wahlprozess selbst läuft deutlich anders ab als in Europa. Vor den Wahllokalen stehen Zelte der verschiedenen Parteien. Dort wird aber nicht in letzter Minute noch Wahlwerbung gemacht, sondern die Wähler werden unterstützt. Hier gibt es eine heftige Diskussion, weil ein Wähler aus dem Wahllokal weggeschickt wurde, weil er irgendeinen der vielen notwendigen Zettel nicht hat. Und so versuchen die Wahlhelfer mit Hilfe von einer Unzahl an Listen und Zetteln die Wahlnummer herauszufinden.

Keine Angst vorm Terror

Aber auch der Wahltag hat seine Schattenseiten. Inzwischen erreicht die Nachricht, dass es in Karachi einen verheerenden Bombenanschlag mit mindestens zehn Toten und 30 Verletzten gegeben hat, auch die Wahllokale hier in Islamabad. Einschüchtern lasse man sich durch so etwas aber nicht, so die einhellige Meinung. "Ich habe keine Angst", sagt ein Mann. "Manchmal passiert eben was. Aber prinzipiell ist alles gut."

Eine bemerkenswert gelassene Einstellung. Müssen doch heute rund 600.000 Mann der Sicherheitskräfte aufgeboten werden um die Wahlen halbwegs sicher zu gestalten. In der Hauptstadt wird das wohl gelingen. Aber in den Stammesgebieten und eben auch in Karachi sieht die Sache schon ganz anders aus.

Die künftige Regierung steht jedenfalls vor riesigen Herausforderungen. Neben der Terrorfrage ist es vor allem die Energiekrise, die das Land daran hindert, Wirtschaftswachstum zu generieren. Auf dem Land gibt es meist nur eine Stunde Strom am Tag – in den Städten maximal acht. "Und damit sich eben etwas ändert in diesem Land, sind die Wahlen so wichtig", sagt dieser Mann bevor er in das Wahllokal geht. "Denn nur mit der Demokratie werden wir überleben."