Türkei: Unruhen setzen Regierung unter Druck
Die bisher schwersten Proteste gegen Ministerpräsident Reccep Tayyip Erdogan setzen die Regierung immer stärker unter Druck. Auch am dritten Tag der Kundgebungen war der Taksim-Platz in Istanbul wieder voll Demonstranten. In der Hauptstadt Ankara setzte die Polizei wieder Tränengas ein. Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften werden auch aus Izmir gemeldet.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 3.6.2013
Öl ins Feuer
Friedliche Stille liegt zur Zeit über dem Taksim-Platz – ungewöhnlich an einem Montagmorgen im Herzen der 15-Millionen-Stadt. Einige der Zufahrtsstraßen sind nach wie vor mit Barrikaden aus Mistkübeln und Blumentöpfen blockiert. Der umstrittene Gezipark wird nach wie vor von größtenteils jugendlichen Demonstranten besetzt gehalten. Doch die Ruhe könnte trügen. Schließlich hat Ministerpräsident Erdogan am Wochenende Öl ins Feuer gegossen, als er die Demonstranten als Banden von Marodeuren abkanzelte: "Wir werden nicht zulassen, dass solche Leute unsere Projekte zerstören", rief er seinen Parteifreunden zu.
Moschee statt Einkaufszentrum
Aber trotz dieser herausfordernden Töne hat der bisher allmächtige Regierungschef zum ersten Mal Zeichen von Schwäche gezeigt. Als er nämlich ankündigte, dass anstelle des zunächst geplanten Einkaufszentrums auf dem Taksim-Platz nun eine Moschee gebaut werden solle. Dieser Schwenk soll offensichtlich die Religiösen beruhigen und bestätigt den Eindruck vieler Beobachter, dass es in den letzten Tagen auch an der Basis der straff geführten AKP ziemlich gekriselt hat.
Dass es genügen soll eine weitere Moschee zu bauen, um den Unmut zu stoppen, bezweifeln aber auch regierungsfreundliche Kommentatoren. Auffällig ist die Breite der Basisbewegung: Auf dem Taksim-Platz sieht man die bisher streng verfeindeten Fanclubs der drei großen Fußballvereine einträchtig miteinander sitzen – ebenso wie Religiöse und Nicht-Religiöse, Sunnis und Aleviten, Linke und Liberale, Kurden und türkische Nationalisten. Was sie dem Regierungschef vorwerfen, ist dass er zwar die Militärs geschwächt, an ihrer Stelle aber eine Art Polizeistaat errichtet habe.
Erdogan verliert die Jungen
Und bei den gestrigen Protesten in Ankara hat die Polizei auch wieder so reagiert, wie vorige Woche in Istanbul: Mit Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken. Die Bilder davon haben sich übers Internet rasch im ganzen Land verbreitet und haben den Eindruck verstärkt, dass diese Regierung zwar fest im Sattel sitzt, aber dabei ist, die Jugend des Landes zu verlieren.