Bibelkommentar zu Lukas 9, 18 - 24

Die Ausgangslage ist knapp, aber klar gezeichnet: Jesus betet - wie so oft - in der Einsamkeit. Er ist ganz auf Gott ausgerichtet. Dann kommt gleich noch eine wichtige Ergänzung hinzu: die Jünger waren bei ihm.

Damit ist gewissermaßen das Personal der Geschichte komplett. Jesus und die Jünger. Es geht um Jesus mit seiner Beziehung zu Gott und um die Jünger, also seine Schülerinnen und Schüler, mit ihrer Beziehung zu Jesus. In Gang kommt die Erzählung schließlich durch eine Frage, die Jesus selbst stellt: "Für wen halten mich die Leute?" Jesus, ganz aus Gott lebend, spricht seine Jünger an. Aber er sagt ihnen nicht etwas, sondern er fragt sie ganz einfach.

Wenn in der Bibel Fragen gestellt werden, geht es um Entscheidendes. Und in der Bibel werden oft Fragen gestellt, von Anfang an. An Beispielen mangelt es nicht: "Adam, wo bist du?" oder "Kain, wo ist dein Bruder Abel?" Jesus fragt auch: "Warum habt ihr solche Angst?" Oder später fragt er: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Es sind immer wieder Fragen, die Menschen innehalten lassen. Wer sich der Frage stellt, den kann sie auch weiter bringen. Auf die erste Frage: "Für wen halten mich die Leute?" folgt eine zweite, die entscheidende Frage: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?"

Petrus beantwortet in der soeben gehörten Erzählung die Frage klar und deutlich: "Für den Messias Gottes". Die Kirche hat über Jahrhunderte differenzierte Antworten formuliert und so verpflichtend gemacht, dass sie keine Frage mehr zulassen. Als ob sie damit die Frage erledigt hätte. Doch ohne Frage gibt es keine Antworten. Die Vielzahl an Dogmen kann verhindern, dass überhaupt Fragen entstehen und existentielle Antworten versucht werden.

Das Neue Testament enthält viele Antworten auf die Frage "Wer ist Jesus? Was bedeutet er für die Menschen, für die Christen?" Messias, Christos, Kyrios, Sohn, Sohn Gottes, Sohn Davids, Menschensohn, Rabbi, Lamm Gottes. An die vierzig Versuche sind im Neuen Testament zu finden, um die Frage nach der Bedeutung Jesu zu beantworten. Keine ersetzt die anderen, jede sagt Wichtiges von Jesus und zugleich beansprucht keine, alles sagen zu können. Keine Antwort erschöpft die Frage nach Jesus.

Ich plädiere für die Wiederentdeckung eines fragwürdigen Jesus, der als würdig der Frage entdeckt wird und der zu zeitgemäßen, lebensfördernden Antwortversuchen herausfordert. Wem Jesus nicht frag-würdig ist, eben würdig der Frage "Wer ist dieser - für mich?", dem wird auch die Lehre der Kirche keine hilfreichen Antworten geben können.