Steht Albanien vor einem Machtwechsel?

In Albanien wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Umfragen sprechen derzeit eher für einen Machtwechsel, doch sie sind mit Vorsicht zu genießen. Seit acht Jahren regiert der konservative Ministerpräsident Sali Berisha Albanien. Seit seinem Amtsantritt leidet das Balkan-Land unter dem Dauerkonflikt zwischen Berisha und dem Sozialisten Edi Rama, ehemaliger Bürgermeister von Tirana.

Mittagsjournal, 22.6.2013

2013 ist "das Jahr der Veränderung"

In Albanien ist ein Wahlkampf ohne Pathos, Massenkundgebungen und Fahnen undenkbar. Seit heute gilt Wahlschweigepflicht, doch in den vergangenen Tagen mobilisierten die beiden großen Gegner noch einmal ihre Anhänger. Die oppositionellen Sozialisten unter der Führung von Edi Rama haben mit 35 kleinen Gruppen ein Wahlbündnis geschlossen.

Es kandidiert unter dem Namen "Allianz für ein europäisches Albanien". Verkündet wird Rilindja, auf Deutsch "Wiedergeburt". Denn 2013 sei das Jahr der Veränderung, die nun bevorstehen soll. In diesem Sinne rief Edi Rama seinen Anhängern zu. "Lasst uns den letzten Stimmzettel schließen und dann ein neues Kapitel der Wiedergeburt öffnen. Die letzten Tage vor der Wahl muss jeder wach bleiben. Stimmt für die Sozialisten, wir ihr das bereits getan habt. Vorwärts, auf zur Wiedergeburt!"

Persönliche Angriffe im Wahlkampf

Ramas alter politischer Widersacher, Sali Berisha, plakatiert: "Wir haben die Veränderung, vorwärts". Im Wahlkampf scheute der konservative Ministerpräsident auch dieses Mal nicht vor massiven persönlichen Angriffen. "Der Vorsitzende der Kommission im US-Kongress für Europa hat offiziell eine Untersuchung gegen Edi Rama gefordert und zwar wegen Geldwäsche im Ausmaß von 10.000 Dollar. Dieser Mann hat mir erklärt, dass mit der amerikanischen Justiz nicht zu spaßen ist."

Sali Berisha führt eine Koalition aus 25 Parteien, die als "Allianz für Beschäftigung, Wohlstand und Integration" zur Wahl antritt. Für Berisha könnte es eng werden.

Machtwechsel möglich

Vor vier Jahren trat die sozialistische Kleinpartei unter Ilir Meta noch selbstständig zur Wahl an und bildete dann mit Berisha eine Koalition. Doch Meta wechselte die Front und kandidiert gemeinsam mit Edi Rama. Hinzu kommen die schwierige Wirtschaftslage und nicht besonders zuverlässige Umfragen, die für einen Machtwechsel sprechen.

"Berishas zweite Amtszeit war geprägt von nur langsamen Fortschritten bei der EU-Annäherung und weitverbreiteter Korruption. Das führt zur Wahrnehmung, dass es Zeit für Berisha wäre, abzutreten", sagt der Leiter des unabhängigen Instituts für Wirtschaftsforschung in Tirana, Zef Preci. Anderseits sei die Opposition unter Edi Rama noch immer schwach und biete keine klare Alternative, wie die Krise überwunden werden und das Land auf einen stabilen Wachstumskurs zurückkehren könnte.

Zu erwarten ist ein sehr knappes Ergebnis. Für die Bürger bleibt es schwer, in Edi Rama eine Hoffnung für einen Kurswechsel zu sehen.

Demokratische Wahlen Voraussetzung für EU

Für die weitere EU-Annäherung sind faire und demokratische Wahlen und ein allfällig friedlicher Machtwechsel eine Grundvoraussetzung. Dass sie erfüllt wird, ist umso fraglicher, je knapper das Ergebnis sein sollte. Denn Wahlbetrug, kompliziertes Auszählungssystem und die politische Kultur erschweren das Eingeständnis einer Niederlage. Albanien könnten nach der Wahl stürmische, politische Zeiten bevorstehen.