"estate, estate...!"

Alte Musik in Südtirol

Am Beginn des 18. Jahrhunderts: Die Freie Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen huldigt dem fernen Regenten, Joseph I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gleich zweimal mit festlicher Musik. Zur Wahl des Rates der Stadt erklingt "Gott ist mein König". Der Komponist dieser Ratswahlkantate aus dem Jahr 1708, damals 22 Jahre alt, trägt einen später klingenden bekannten Namen: Johann Sebastian Bach.

Bach und Erlebach in Brixen

Mit Pauken und Trompeten, den modernen Oboen und Flöten, Sänger/innen, Streicher/innen und dem gewaltigen Basso continuo will der Organist an der Divi-Blasii-Kirche Joseph erfreuen. Der Monarch, damals bereits drei Jahre im Amt, wird den nach Wien übersandten Druck der Kantate aus Mühlhausen wohlwollend ad notam genommen haben.

Für uns freilich ist gerade dieses Werk Bachs bemerkenswert: nicht nur aufgrund der prächtigen Musik, sondern auch, weil Bach die modernen Oboen und Flöten transponierend notieren musste, um sie mit dem traditionellen Instrumentarium der Kirchenmusik wie Violinen und Orgel zu kombinieren.

Darüber hinaus ist diese Komposition auch die einzige zu Lebzeiten Bachs gedruckte Kantate. Freilich ließ sich Mühlhausen nicht lumpen, auch aus Anlass der Krönung Josephs I. mit einer tönenden Ovation aufzuwarten: Anno 1705 erklang die Serenata "Josephs Neuer Kaiserthron", deren Manuskript bis heute im Mühlhausener Stadtarchiv lagert.

Am 11. August wurde Philipp Heinrich Erlebachs Huldigungsserenata zum ersten Mal nach mehr als 300 Jahren aufgeführt und Bachs Kantate "Gott ist mein König" im Konzert gegenübergestellt. Das Konzert fand nicht im Rahmen eines der großen Alte-Musik-Festivals statt, sondern im Rahmen der "Brixner Initiative Musik und Kirche". 1988 gegründet und unter der künstlerischen Leitung von Josef Lanz stehend, ist es ein Ziel der Programme, in Vergessenheit geratene Alte Musik zu neuem Leben zu erwecken.

Ö1 hat in den vergangenen Jahren etliche Konzerte aus Brixen gesendet und in Kooperation auf vielen CDs der ORF Edition Alte Musik veröffentlicht. Zum 25. Geburtstag der Initiative übertrug Ö1 live aus der Kirche des Priesterseminars in Brixen: Das österreichische Ensemble Concerto Stella Matutina musizierte unter der Leitung von Alfredo Bernardini Bachs und Erlebachs Festmusiken.

Corelli in Bruneck

Auch in Bruneck war Ö1 wieder zu Gast. Heuer, um Arcangelo Corelli, einem der bedeutendsten Geiger und Komponisten Italiens, zu huldigen. Bei diesem "Omaggio" wurde die spanische Sopranistin Maria Hinojosa Montenegro vom Ensemble Cordia begleitet.

Kenner/innen werden gleich die Stirn runzeln. Richtig: Corelli, obwohl Komponist der berühmten "Accademia dell'Arcadia", verfasste keine Vokalwerke. Diese stammten im Programm in Bruneck aus der Feder von Giovanni Benedetto Platti, ein Oboist und Violinist, der einst auch Musik von Corelli bearbeitete. Ö1 übertrug Ende Juli auch dieses Konzert aus dem Ragenhaus in Bruneck live.

Lautenmusik im Pustertal

Die idyllische Kirche St. Magdalena im Moos bei Niederdorf im Pustertal liegt auch heuer auf der Ö1 Route. Am 14. Juli spielt Evangelina Mascardi bei Kerzenschein Lautenmusik von Sylvius Leopold Weiss und Charles Mouton (in Ö1: Alte Musik - neu interpretiert, 16. Juli, 19.30 Uhr).

Tipp für Bergwanderer und Bergsteiger als mehrtägiges Rahmenprogramm zu den Konzerten: Tour von der Seiser Alm auf den Schlern, vom Schlernhaus zum Antermoia-See, von da zum Rosengarten oder gleich zum Langkofel - dann wieder retour zur Seiser Alm.

Text: Bernhard Trebuch, Ö1 Experte für Alte Musik