Krimi von Joe R. Lansdale

Dunkle Gewässer

Trefflich und lange ließe sich darüber diskutieren, was ein Kriminalroman ist oder nicht ist. Der Tropen Verlag schreibt die "Dunklen Gewässer" von Joe R. Lansdale als Krimi aus. Als solcher, als Krimi, wurde das Buch auch in diversen "Bestenlisten" geehrt.

Andererseits gibt es Verlage im deutschen Sprachraum, die auf klassische Krimis das Etikett "Roman" drucken. Also, was tun? Nachdem es hier, in der "Ex libris"-Krimireihe, nicht um literaturkritische Einordnungen oder Beckmessereien geht, sind Lansdale und sein neuer Roman durchaus willkommen. Aus zwei simplen Gründen: Er ist exzellent geschrieben, und die Handlung ist hochspannend.

Fürs Erste aber - das muss gesagt werden - hört sich der Plot, der Handlungsfaden eher nach einer "Tom Sawyer und Huckleberry Finn"-Geschichte als nach einem Krimi an.

Flucht per Floß

Irgendwo in Osttexas, in den Zeiten der "Großen Depression", also der 1930er Jahre, macht sich eine kleine Gruppe von Halbwüchsigen mit einer erwachsenen Frau per Floß auf den Weg in Richtung Westen, Traumziel Kalifornien.

Allerdings nicht freiwillig. Im Heimatort ist knapp davor ein Mädchen grausam ermordet worden. Nicht von den Flüchtigen, das sei vorneweg gesagt, sondern von jenen, die sich auf die Spuren der Floßfahrer heften werden. Und im Übrigen scheint das Dorf am Sabine River eine territoriale Kreuzung aus brutaler Gewalt und historisch praktiziertem Inzest zu sein.

Jedenfalls hat das tote Mädchen - Traumberuf: Starlet in Hollywood - eine beträchtliche Summe Geld hinterlassen: die Beute ihres knapp davor ermordeten Bruders, ein mittlerer Ganove, die er bei mehreren Streifzügen in der umliegenden Gegend an sich gebracht und mit ins unfreiwillige Grab genommen hat. Mit dem ausgegrabenen Geld und den in einer Urne verbliebenen Überresten des Doch-nicht-Starlets im Bootsgepäck paddeln die Floßflüchtlinge Richtung Westen.

Grausame Abenteuergeschichte

Was auf diesem Flussweg und den etwa 300 Seiten des Romans geschieht, das entspricht dann doch nicht mehr ganz den Mark-Twain-Erzählungen über Tom Sawyer und Huckleberry Finn: brutale Rednecks, irre Serienkiller, Schlitzereien, Schießereien, Gemetzel und so weiter und sofort.

Lansdales Roman, eher eine grausame Abenteuergeschichte als ein klassischer Krimi, zeichnet sich - abgesehen von seiner direkten Verfilmbarkeit (bessere Sujets gab es schon lange nicht mehr!) - auch als höchst lesenswert aus.

Die Story ist nahezu perfekt erzählt. Sowohl durch die Perspektive der zwischen jugendlicher Naivität und gewiefter Bauernschläue changierenden Ich-Erzählerin als auch durch eine an William Faulkner erinnernde Kraft der Prosa und der Beschreibung.

Fazit: Absolut lesenswert.

Service

Joe R. Lansdale, "Dunkle Gewässer", aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel, Tropen Verlag