Israel streitet über "Erdgas-Wunder"

Die Israelis haben immer die Araber um ihr Erdöl beneidet. Jetzt ist das bisher an Bodenschätzen so arme Israel auf dem Weg, selbst eine Energiegroßmacht zu werden. Zu verdanken ist das bedeutenden Erdgasfeldern, die unter dem Boden des Mittelmeers gefunden wurden. Aber Israel muss erst eine Strategie für den Umgang mit dem Erdgas entwickeln - gestritten wird insbesondere darüber, wie viel davon man ins Ausland verkaufen soll.

Morgenjournal, 29.6.2013

60 Mrd. Dollar in 20 Jahren

Wenn ein Habenichts unverhofft einen Schatz findet, dann ist das zwar ein großes Glück, bringt aber auch bis dahin unbekannte Probleme mit sich. In diesem Fall geht es um Israels neuen Energiereichtum – der erfordert auch eine neue Energiepolitik, über die man natürlich trefflich streiten kann. Nach monatelangen Debatten und Beratungen hat die Regierung in Jerusalem nun beschlossen, dass Israel 40 Prozent seines Erdgases exportieren und 60 Prozent für sich selbst behalten wird. Laut Premier Benjamin Netanjahu ist das ein vernünftiger Kompromiss: man werde so einerseits dem Land langfristig Energie-Unabhängigkeit sichern und andrerseits durch den Export Einnahmen für die Bürger erwirtschaften. "Über die nächsten 20 Jahre erwarten wir uns – wie viel ist das genau? – 60 Milliarden Dollar."

Staunen über "Wunder"

Nach langem Suchen war man 2009 und dann wieder 2010 unter dem Grund des Mittelmeers rund 100 Kilometer vor der Küste von Haifa auf gewaltige Erdgasvorkommen gestoßen. Die Israelis staunen und jubeln seither über dieses "Wunder", das die wirtschaftliche und strategische Situation des Landes verändern kann und auch irgendwie als später, aber gerechter Ausgleich für den Ölreichtum der feindlichen Nachbarn empfunden wird. Von dem ersten der beiden Felder wird nun schon seit März Erdgas aufs Festland gepumpt. So richtig als Energieriese wird Israel sich aber erst fühlen, wenn das zweite, noch viel größere Erdgasfeld ausgewertet wird.

Was tun damit?

Emotionen hatte vom ersten Moment an das Feilschen über die Abgaben vom Profit ausgelöst: die internationalen Bohr- und Förderfirmen hatten schon gedroht, alles stehen und liegen zu lassen, wenn man ihnen zu hohe Lizenzgebühren und Steuern abverlangen würde. Aber als wirklich schicksalsträchtig gilt die Entscheidung über den Exportanteil. Manche glauben, dass Israel überhaupt nichts exportieren sollte – weil das Erdgas sauberer ist als Erdöl und Kohle, und weil es eine preisdämpfende Wirkung auf die heimische Wirtschaft hätte. Die Chefin der Arbeiterpartei, Schelly Jachimowitsch, befürchtet, dass der Export vor Allem die Investoren noch reicher machen wird: "Das ist eine beschämende Kapitulation vor dem Druck der Tycoone und ein schwerer Schaden für die Wirtschaft, die Gesellschaft und auch für die Sicherheit."

Aber Finanzminister Jair Lapid versichert umgekehrt, dass die Einnahmen direkt in die Tasche der Bürger fließen werden: "Das Gas, das wir hier brauchen, lassen wir hier, aber was wir nicht brauchen, warum sollen wir es auf dem Meeresgrund lassen? Ist es nicht vernünftiger, damit Milliarden Dollar zu verdienen?" Der Verkauf von Erdgas, so die Regierung, wird bald dazu führen, dass in Israel die Sozialleistungen steigen, die Lebenshaltungskosten sinken und die Wirtschaft wächst.

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