100. "Tour de France" gestartet

In Portovecchio auf Korsika ist die 100. Ausgabe der im Jahr 1903 erstmals gefahrenen "Tour de France" gestartet - nach Olympischen Spielen und Fußballweltmeisterschaft das drittgrößte Sportereignis der Welt. Die Tour ist auch ein wirtschaftlich florierendes Unternehmen , das in den letzten zwei Jahrzehnten allerdings quasi permanent von Doping-Skandalen erschüttert wurde.

Französisches Kulturgut

Die Tour de France ist mehr als nur ein Radrennen. Sie ist ein Mythos und - wie etwa das Chanson - ein unersetzbares Stück französisches Kulturgut, ein Baustein in der kollektiven Erinnerung der Nation - in Chansons besungen, in die Literatur eingegangen, ja selbst von Philosophen wie Roland Barthes thematisiert. Ein Mythos, zu dem die seit 1910 gefahrenen heroischen Bergetappen ebenso beigetragen haben, wie die legendären Duelle. Gino Bartali und Fausto Coppi spalteten das Nachkriegsitalien in zwei Lager – Gino, der Gläubige, der Papst Pius XII zu seinen Fans zählte, Fausto, der im katholischen Italien mit seiner Geliebten für Skandal sorgte. Später dann Jacques Anquetil , der für Eleganz, Modernität und das urbane Frankreich stand, gegen den ewigen Zweiten, Raymond Poulidor, Sinnbild des bodenständig-bäuerlichen Frankreichs.

Betrug fährt mit

"Die Tour de France ist da seit Beginn des letzten Jahrhunderts, nur Kriege haben sie aufhalten können. Sie ist sehr, sehr tief im Land verwurzelt durch ihre sportlichen, touristischen, ästhetischen und auch sozialen Tugenden", sagt Tour-Direktor Prudhomme. Doch von Anfang an fuhr auch schon der Betrug mit im Peloton. Bereits bei der zweiten Ausgabe im Jahr 1904 schloss man einige Teilnehmer aus, weil sie unerlaubte Absprachen getroffen hatten oder ein Stück weit mit dem Zug gefahren waren.

1924 schon hatte der Journalist und Schriftsteller, Albert Londres in seiner legendären Reportage mit dem Titel "Die Sträflinge der Landstraße"“ erstmals Doping zum Thema gemacht, über drei Fahrer berichtet, die ihm Kokain, Chloroform und die verschiedensten Pillen gezeigt hatten mit dem Kommentar: "Wir laufen mit Dynamit". Und bereits in den 70-er Jahren sagte etwa der große Spotjournalist und Frankreichkenner, Hans Blickensdörfer: "Es gibt Rennfahrer, man kann da ruhig Anquetil hier erwähnen, weil er's immer selber zugegeben hatte. Er hat gesagt, ich hab immer etwas genommen , aber ich hab's unter Aufsicht meines Leibarztes genommen, und man kann sich nicht wie ein Buchhalter ernähren, wenn man die Tour fährt."

Kein Sieg(er) ohne Doping

1998 förderte der Festina-Skandal dann erstmals von der Mannschaft organisiertes Epo-Doping ans Tageslicht, im Jahr darauf begann die siebenjährige Armstrong-Ära mit inzwischen eingestandener Dopingpraxis, welche auch in den Jahren danach kein Ende nahm. Das größte Radrennen der Welt befindet sich in der grotesken Lage, in den letzten zwei Jahrzehnten keinen einzigen Gesamtsieger vorweisen zu können, der nicht des Dopings verdächtig bzw. überführt wäre.

Und jetzt, kurz vor Beginn der Jubiläumsausgabe, hat eine Untersuchungskommission des französischen Senats zu Tage gefördert, dass auch der Franzose, Laurent Jalabert, bei der Skandaltour 98 positiv auf EPO getestet worden war. Der fünfmalige Tour-Sieger, Bernard Hinault, heute Angestellter der Tour, reagierte wütend: "Das ist ein Geschichte von vor 15 Jahren. Man muss aufhören, die Toten auszugraben. Man hat den Eindruck, dass man den Radsport kaputt machen, die Tour de France töten will, selbst seitens dieser Senatoren mit ihren Blödheiten." Da wusste Hinault noch nicht, dass sich Lance Armstrong tags darauf per Interview zur Jubiläumsausgabe einladen sollte, mit den Worte : "Die Tour de France ist ohne Doping nicht zu gewinnen."

Ökonomischer Erfolg

Ökonomischer Erfolg
Trotz aller Dopingskandale bleibt das Etappenrennen aber eine ökonomische Erfolgsgeschichte: Sponsoren reißen sich nach wie vor darum, in der Werbekarawane dabei sein zu dürfen, und Städte investieren Millionen, um einmal Start oder Zielort der großen Schleife zu sein. Die Veranstalterfirma ASO ist ein florierendes Unternehmen mit geschätzten 150 Millionen Jahresumsatz. Und – Doping hin oder her - trotz allem werden bis zur Ankunft dieser Jubiläumstour in drei Wochen in Paris erneut rund 12 Millionen Menschen die Straßenränder der 3.400 Kilometer langen Strecke bevölkert haben.