China verpflichtet Kinder zu Besuch der Eltern
In China sorgt ein soeben in Kraft getretenes Gesetz für Diskussionen. Das Gesetz zwingt Kinder zum Besuch ihrer alternden Eltern. Wenn Kinder und Enkel ihre Verwandten nicht häufig besuchen, dann dort eine Strafe. Das Gesetz ist zwar vage, trifft aber einen wunden Punkt in der chinesischen Gesellschaft.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 6.7.2013
Aus China,
Besuch der Eltern, sonst droht Strafe
Das "Gesetz zum Schutz der Rechte und Interessen der alten Menschen", so heißt es offiziell. Der Gesetzestext umfasst ganze 10 Seiten und bleibt trotzdem ziemlich vage. Kinder sollen auf psychologische Bedürfnisse ihrer Eltern eingehen, sie sollen sie liebevoll behandeln, sie oft besuchen und ihnen auch regelmäßig Grüße schicken. Wie oft sie besucht werden und in welcher Weise die Kinder sich um die Eltern kümmern sollen, steht nicht geschrieben.
Der Artikel 17 des umstrittenen Gesetzes lässt auch die Höhe des Strafmaßes offen, falls Kinder ihre Eltern vernachlässigen. Einen ersten Fall hat ein Gericht in der ostchinesischen Stadt Wuxi bereits verhandelt. Eine Frau wurde dazu verurteilt, ihre Mutter mindestens alle zwei Monate einmal zu besuchen. Die jetzt staatlich verordnete Elternliebe ist umstritten. Chinas junge Bloggergemeinde reagiert wütend. Die Ansprüche an die Kinder seien oft unerfüllbar, ist dieser Tage auf zahlreichen Blogs zu lesen.
Ältere Chinesen verstehen die Empörung
Verständnis für die Reaktion vieler jungen Chinesen zeigt der 81-jährige Herr Wu. "Es ist schwierig für junge Menschen. Wegen der Ein-Kind Politik müssen sie sich oft um vier Alte kümmern. Wenn man dann noch ein Kind zu betreuen hat, ist das Leben nicht mehr einfach."
Ähnlich sieht das Frau Zhao. Die 56-Jährige hat einen Sohn im Teenager-Alter. Sie findet es nicht gut, wenn ein Gesetz vorschreibt, sich um die Eltern zu kümmern. "Wenn deine Kinder weit weg von dir leben und arbeiten, wie sollen sie sich dann um dich kümmern? Junge Menschen in China haben viel zu schultern. Sie haben viel Druck, müssen erfolgreich sein."
Konsequenzen der Ein-Kind-Politik
Lange vor der Elternliebe hat man in China schon die Größe der Familie staatlich verordnet. Mit enormen Konsequenzen, die jetzt gut 30 Jahre nach Einführung der Ein-Kind-Politik immer deutlicher spürbar werden. Chinas Gesellschaft altert rasant. Sind derzeit rund 200 Millionen Chinesen über 60 Jahre alt, so werden es in 20 Jahren bereits 400 Millionen sein. Ein umfassendes Pensionssystem muss erst entwickelt werden.
Der wirtschaftliche Boom der vergangenen Jahrzehnte hat zudem soziale Netzwerke und traditionelle Familienwerte zerstört. Man nennt es das 4-2-1 Modell. Vier Großeltern, ein Elternpaar und ein Kind: Die Kleinfamilie, erschaffen von Chinas Bevölkerungsplanern, die aber dem traditionellen konfuzianischen Modell nicht mehr gerecht wird. Demnach müssen Kinder ein Leben lang, vor allem im Alter, ihre Eltern versorgen.
Hunderte Millionen haben ihre Dörfer verlassen, um in den Städten Arbeit zu finden und im brutalen Wettbewerb um sozialen Aufstieg zu bestehen. Zurück lassen sie ihre Eltern. Mit durchschnittlich 10 Tagen Urlaub und ein paar Feiertagen bleibt den Kindern nur wenig Zeit, ihre Familie zu besuchen. Als leere Nester sind sie in China längst bekannt, die Dörfer, in denen die Alten zurückbleiben.