Notwohnung für Zwangsverheiratete in Wien
Was es in Berlin schon seit 25 Jahren gibt, hat jetzt auch Österreich geschafft: eine Notwohnung für Frauen, die von ihren Familien zwangsverheiratet werden sollen oder schon verheiratet wurden. Zehn Frauen zwischen 16 und 24 Jahren sollen dort rund um die Uhr betreut und beraten werden. Frauen- und Innenministerium finanzieren die Wohnung, der Verein Orient Express betreut die Frauen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 9.7.2013
Hohe Dunkelziffer
Junge Frauen, die sich gegen Zwangsheirat wehren, werden oft von der Familie verstoßen, sagt Meltem Weiland vom Verein Orient Express, der seit fast zehn Jahren eine Notwohnung für genau solche Frauen dringend fordert. "Das schwierigste ist, den Kontakt zur Familie in sehr jungem Alter abbrechen zu müssen. Das übt einen enormen zusätzlichen Druck aus und deshalb müssen diese Mädchen rund um die Uhr aufgefangen werden können."
Im Vorjahr betreute der Verein Orient Express 89 Frauen aus Ägypten, Pakistan, der Türkei oder Indien. Die Dunkelziffer sei viel höher, sagen Expertinnen, Zahlen gibt es keine.
Kosten: 320.000 Euro pro Jahr
Unterbringen kann man die Frauen erst jetzt. Immerhin, so Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), seien die Sommerferien ein guter Zeitpunkt. Denn gerade in den Sommerferien würden viele Mädchen in ihre Herkunftsländer auf Urlaub "verschickt" und dort zwangsverheiratet oder mit den Partnern zurückkommen und dann in Österreich heiraten, so Heinisch-Hosek.
Die Kosten von 320.000 Euro pro Jahr teilt sich das Frauen- mit dem Innenministerium. Durch das ausgeweitete Gewaltschutz- und das Sicherheitspolizeigesetz könne man die Frauen gut schützen, so Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): "Zwangsheirat stellt schwere Nötigung dar und wird unter Strafe gestellt. Es gibt hier Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Das heißt, hier gibt es kein Pardon."
Schwierige Zielgruppe "Importbräute"
An viele Frauen komme der Orient Express aber nur schwer heran, sagt Meltem Weiland, an die sogenannten Importbräute zum Beispiel, die nach Österreich geholt werden. "Gerade diese Klientinnen werden in den Wohnungen festgehalten, um zu verhindern, dass sie Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn sie es doch schaffen, eine Beratungsstelle zu kontaktieren, ist klar, dass sie sofort untergebracht werden müssen."
Obwohl nicht zuständig, hat der Orient Express auch schon betroffene junge Männer beraten. Für sie gibt es nämlich keine eigene Anlaufstelle.