Doku "Das Venedig-Prinzip"

Die Venezianer selbst sind immer öfter gezwungen, ihre Stadt zu verlassen - wegen fehlender Infrastruktur und nicht mehr leistbaren Wohnungen. Der Südtiroler Dokumentarfilmemacher Andreas Pichler hat sich in seinem Film "Das Venedig Prinzip" auf eine Spurensuche durch den Alltag einiger Venezianer begeben und zeigt den Ausverkauf der Stadt im Zeichen des Massentourismus.

Morgenjournal, 10.7.2013

Alles nur noch Kommerz, schimpft eine ältere Dame beim Blick über die Stadt, die würden doch sogar ihre eigene Mutter verkaufen. Sie selbst muss einen Teil ihres kleinen Hauses vermieten, und die Bilder im Erdgeschoß habe sie festkleben müssen, wegen der Vibrationen die die großen Kreuzfahrtschiffe auslösen.

Andreas Pichler blickt in seinem Dokumentarfilm hinter die Fassaden der Serenissima, auf das Leben in einer Stadt, das oft schon keines mehr ist, weil alles nur noch auf die touristische Funktionalität ausgerichtet wird, ohne die langfristigen Folgen zu bedenken, so Pichler.

Waren es vor 20 Jahren noch circa 200.000, so leben heute nur noch 58.000 Menschen in Venedig - ebenso viele Touristen strömen täglich in die Stadt. Und während die Besucherzahlen steigen, sinken die Einwohnerzahlen weiter. Wohnungen sind für die Venezianer selbst bei Quadratmeterpreisen von 10- bis 12.000 Euro kaum noch leistbar. Nach der Reihe schließen Postämter, Geschäfte, Märkte.

Neulich habe er Milch kaufen wollen, erzählt ein Mann, aber weit und breit kein Geschäft. Andere Szene: Ein Obdachloser steht am Straßenrand, bietet Fotos mit einem echten Venezianer für 1 Euro an.

Eines der zentralen Probleme dabei sei, so Andreas Pichler, dass, obwohl mit dem Produkt Venedig jährlich 1,5 Milliarden Euro umgesetzt werden, der Stadt kaum etwas bleibe. Die, die an den Touristenmassen verdienen, seien meist global agierende Konzerne, so Pichler. Eine Stadt, dem Markt überlassen. Und darunter leiden auch zunehmend die lokalen Händler und Produzenten.

40 Prozent der Glasmanufakturen auf Murano hätten wegen der chinesischen Imitate schließen müssen. Und an der Kurzsichtigkeit mit der Venedig ausgehöhlt werde, leide dann auch die Bausubstanz der Stadt, warnt ein Makler. Renovierungsarbeiten würden immer schneller, billiger und dilettantischer durchgeführt werden.

Doch bei allen Hiobsbotschaften und Schreckensszenarien betont Regisseur Andreas Pichler auch, die stillen Ecken in Venedig abseits von Markusplatz und Rialto-Brücke - es gibt sie noch.