Eindrücke vom neuen "Jedermann"

Bei den Salzburger Festspielen wird die Neuinszenierung von Hugo von Hoffmansthals "Jedermann" auch heuer wieder mit großer Spannung erwartet. Christian Stückl gibt nach elf Jahren die Inszenierung aus der Hand und es wird alles radikal neu auf dem Domplatz. Der Brite Julian Crouch und der Amerikaner Brian Mertes wollen mit ihrer Neudeutung zurück an den Start.

  • Jürgen Tarrach und Cornelius Obonya

    Jürgen Tarrach und Cornelius Obonya

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  • Cornelius Obonyaund und Julia Gschnitzer

    Cornelius Obonyaund und Julia Gschnitzer

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  • Brigitte Hobmeier

    Brigitte Hobmeier

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  • Peter Lohnmeyer als "Tod" und Cornelius Obonya

    Peter Lohnmeyer als "Tod" und Cornelius Obonya

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  • Cornelius Obonya und Julia Gschnitzer

    Cornelius Obonya und Julia Gschnitzer

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  • Simon Schwarz

    Simon Schwarz

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  • Cornelius Obonya und Brigitte Hobmeier

    Cornelius Obonya und Brigitte Hobmeier

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Morgenjournal, 15.7.2013

Am 20. Juli, um 21:00 Uhr ist es wieder so weit. Da erblickt der neue "Jedermann" das Scheinwerferlicht der Salzburger Festspiele. Und heuer ist vieles neu: sowohl die Inszenierung, für die der Brite Julian Crouch und der Amerikaner Brian Mertes sorgen, als auch die Besetzung der Rollen Jedermann und Buhlschaft mit dem Österreicher Cornelius Obonya und der Deutschen Brigitte Hobmeier. Als neuer Tod löst Peter Lohmeyer nach vier Jahren Ben Becker ab.

Wie fahrende Schauspieler betritt das Ensemble die Bühne, manche mit großen Masken, andere tragen Skelette. Schließlich geht es im "Jedermann" um Leben und Tod. Und der klingt bei Peter Lohmeyer überschlank und übergroß, gekleidet ganz in weiß, mit einem grotesk geschminkten Gesicht, unerbittlich, aber fast freundlich.

Auf dem Fahrrad ist Brigitte Hobmeier auf die Bühne gekommen, in Kleidung und Requisiten deutet das Spiel die Entstehungszeit, also das frühe 20. Jahrhundert an. Cornelius Obonya im schwarzen Anzug könnte fast zeitlos sein, andere Figuren sind ländliche gekleidet, auch das eine Mode des frühen 20. Jahrhunderts.

Das Regieteam Julian Crouch und Brain Mertes hat ja angekündigt, sich intensiv mit den Anfängen des Jedermann auseinandersetzen zu wollen, im speziellen mit Max Reinhardt. Deshalb haben wir Reinhardts Produktionen studiert und auch die Bühne könne jene von Reinhardt sein, so die Regisseure:

Dieses Spiel auf der Straße wird durch kleine Häuschen angedeutet, die auf der Bühne stehen, als die Truppe auftritt, wie ein mittelalterliches Salzburg. Und an alten Stücken orientiert sich auch das Ensemble 013, das die Musik bei diesem "Jedermann" spielt.

Gegen Ende treten auch all die allegorischen Gestalten wieder auf, auf die Christian Stückl zum Teil verzichtet hat: die Werke- zunächst als schwache Puppe, der Teufel mit feuerrotem Fell, Hörnern und Klumpfuß, und der Glaube hoch über der Bühne sitzende. Und Jedermanns Tod wird von himmlischer Musik und von zwei übergroßen Engeln begleitet.

Crouch und Mertes haben von Christian Stückl übernommen. Der Regisseur der Oberammergauer Passionsspiele hatte die Inszenierung elf Jahren lang betreut. Im Vorjahr spielten Nicholas Ofczarek und Birgit Minichmayr den Jedermann und die Buhlschaft.

Selbst der Schauspielchef der Salzburger Festspiele sagt, das Theaterstück "Jedermann" über das Leben und Sterben des reichen Mannes sei nicht zeitgemäß. Schon bei der Uraufführung 1911 sei es das nicht gewesen, meint Sven-Eric Bechtolf. Trotz - oder vielleicht auch wegen - des Erfolgs scheiden sich an dem Drama von Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) die Geister: Während das Publikum vom "Jedermann" in Salzburg meist begeistert ist, betrachten viele Kritiker das Open-Air-Spektakel als belanglose Folklore.

"Im Unzeitgemäßen liegt sein Reiz", schrieb Bechtolf im Blog der Festspiele. "Nicht in der anti-modernen, restaurativ-katholischen und völkischen Gesinnung Hofmannsthals, sondern in der Einfachheit seiner Vorlage." Das Unzeitgemäße, das nicht dem Zeitgeist Entsprechende, sei zu allen Zeiten eine Provokation. Sie liege darin, dass das Stück "an einen immer noch unbewältigten Sachverhalt" erinnere: "unseren Tod und unsere Gottesvorstellung".

Die "Jedermann"-Parade

Seit 1920 ist der "Jedermann" Teil der Salzburger Festspiele. Erster Regisseur war damals Max Reinhardt (1873-1943). Zu den beeindruckendsten Darstellern des "Jedermann" gehörten Attila Hörbiger vor mehr als 60 Jahren, Will Quadflieg in den 50ern, Curd Jürgens in den 70er Jahren und Klaus Maria Brandauer in den 80ern.

Bei der Rolle der "Buhlschaft", der Frau an seiner Seite, gab es in den vergangenen Jahrzehnten mehr Wechsel als beim Jedermann selbst. Zu den Darstellerinnen, die wenig Text haben, der Inszenierung aber zur Zierde gereichen sollen, gehörten Nadja Tiller, Christiane Hörbiger, Senta Berger, Sunnyi Melles, Sophie Rois oder Nina Hoss.

"Einfach Kult"

Der Rekord-Jedermann Peter Simonischek, der die Rolle in den Jahren 2002 bis 2009 verkörperte, gestand 2009 der "Süddeutschen Zeitung", dass er den Erfolg des Stücks auch nicht erklären könne: "Der "Jedermann" zählt zu den Selbstläufern, das Stück ist einfach Kult. Keiner weiß wirklich, warum."

Simonischeks Erklärungsversuch: "Das Stück beschäftigt sich mit den letzten Dingen in einer nicht sehr bedrohlichen Weise, die Zuschauer können sich zurücklehnen, denn sie wissen: Es geht gut aus." Man lasse sich stellvertretend begnadigen durch diesen Jedermann. "Und so übel ist er ja gar nicht, verglichen mit den Sauereien, die in der Finanzbranche heute üblich sind."

"Naturalismus ist da nicht gefragt"

Gert Voss, Jedermann vier Jahre lang in den 90ern, gab 1995 in einem Interview des Magazins "Der Spiegel" zu, lange keinen Zugang zu dem Drama gefunden zu haben. Erst Peter Stein, damals Salzburger Schauspielchef, habe ihn überredet. Dann habe er das Stück intensiv gelesen und plötzlich die Hauptfigur im Kampf gegen den Tod als "berührend" empfunden: "Dieser Clown, der denkt, dass sein Geld ihm jede Freiheit verschafft und ihn zum Gott macht, muss lernen, dass es noch eine Übermacht gibt, die ihm ein Stoppschild entgegenhält."

Als Schauspieler auf dem großen Platz vor Salzburgs imposantem Dom brauche man besondere Entertainer-Qualitäten, betonte Voss: "Naturalismus ist da nicht gefragt. Es ist großes, gestisches und leidenschaftliches Spiel notwendig."

Text: dpa, Red. / Audio: ORF

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