Regisseur Sorrentino sucht die große Schönheit
Mit skurrilem Personal macht sich der italienische Regisseur Paolo Sorrentino, bekannt durch seinen Andreotti-Film "Il Divo", auf die Suche nach der großen Schönheit. "La grande Bellezza" heisst denn auch sein Film.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 23.7.2013
Ein Kardinal in Rom fährt einen Rolls Royce als Dienstwagen und spricht am liebsten über Kochrezepte, ein 12-jähriges Mädchen bringt einen Wutanfall auf die Leinwand eines dann millionenschweren Gemäldes. Und ein Theaterregisseur hängt seinen Job an den Nagel, weil er damit seine Langzeit-Angebetete nicht beeindrucken kann. Mit skurrilem Personal macht sich der italienische Regisseur Paolo Sorrentino in seinem neuen Film "La grande Bellezza" auf die Suche nach der Großen Schönheit.
Aus Jep Gambardella (Toni Servillo) hätte ein großer Schriftsteller werden können. Ein erfolgreicher Erstling, doch dann: zu faul, zu wenig Disziplin, zu viele andere Interessen, vor allem "der König der Mondänen" zu werden. Nun ist der Mann 65 und lässt sich vom Leben treiben, so wie er es seit Jahrzehnen macht, durch die Stadt Rom und ihre Schickeria, zuvorderst Künstler und solche, die es gerne sein würden. Jep hat dazu längst eine abgeklärte Haltung, hat sich mit seinem künstlerischen Scheitern abgefunden, im Gegenteil, er liebt es, sein Talent an Banalitäten zu verschwenden, macht obskure journalistische Reportagen und Interviews. Weniger ein Zyniker sei das, vielmehr ein vom Leben Ernüchterter, meint Regisseur Paolo Sorrentino.
Pseudointellektuelle Großspurigkeit
Die Stadt ist die eigentliche Hauptfigur in diesem halluzinatorischen Porträt Roms und seiner schrillen High Society. Paolo Sorrentino schickt seinen Protagonisten über die schönsten Stiegen, in beeindruckende Sakralbauten, lässt ihn am Ufer des Tiber flanieren und seine seltsame Stille einatmen, von den Hügeln einen grandiosen Blick auf die Stadt werfen. Am liebsten aber feiert Gambardella Partys auf seiner Dachterrasse mit illustren Freunden, pseudointellektueller Großspurigkeit und in barock zelebrierter Erschöpfung.
Hommage an Fellini
Sorrentino nimmt den schönen Schein der ewigen Stadt auseinander, um ihn zugleich zu feiern, und damit auch einen Regisseur, der das schon einmal vorgemacht hat: Die Verweise auf Federicos Fellinis Film "La Dolce Vita" sind offensichtlich, Sorrentino spielt die Sache herunter. Fellini würde alle kennen, ein Einfluss sei auf unbewusster Ebene quasi unvermeidlich.
Eigenwillige Gegensätze
Rätselhaft und schaurig, dekadent und lächerlich, opulent und verlogen, larmoyant und unmoralisch, orgiastisch und melancholisch, auf der Suche nach der Grande Bellezza, also der großen Schönheit durchwandert der Film in eigenwillig arrangierten Gegensätzen das vermeintlich süße Leben seiner Figuren. Lustvoll stürzen sie sich in die eigenen Abgründe. Aber was macht das schon, wenn man dabei den besten Blick aufs Kolosseum hat.