Zugunglück: Lokführer zu schnell unterwegs

In Spanien herrschen Bestürzung und Trauer nach einem der schlimmsten Zugunglücke in der Geschichte des Landes. Mindestens 78 Menschen sind gestern Abend ums Leben gekommen, weitere 130 wurden verletzt, als in Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens ein Schnellzug mit weit überhöhter Geschwindigkeit entgleiste. Über die Unglücksursache wird nur vage spekuliert.

Mittagsjournal, 25.7.2013

Entgleist kurz vor Pilgerort

Es sind grauenhafte Bilder: Zugwaggons liegen in Gräben, einige sind durch die Hitze zu Metallballen zerschmolzen- dutzende Leichen liegen entlang der Strecke, mit Tüchern bedeckt.

Es ist das schlimmste Zugunglück in der Geschichte Spaniens. Der Schnellzug Alvia hatte 218 Passagiere. Jetzt ist jeder dritte davon tot: Es gab eine fürchterliche Explosion, die man bis zu dem Sofa gespürt habe, auf dem ich gesessen bin, erzählt eine Anrainerin. Ich bin zur Tür und da war überall Rauch, ich habe nicht gewusst, was passiert.

Das Unglück passiert um 20:42 abends. Der Schnellzug Alvia ist von Madrid in den Pilgerort Santiago de Compostela unterwegs - in der Kurve springt er aus den Schienen. Die Waggons werden auseinandergerissen, einige prallen gegen die Tunnelwände, andere verkeilen sich ineinander, oder werden durch die Luft geschleudert. Dutzende Passagiere sind sofort tot, den anderen kommen die herbeieilende Anrainer zu Hilfe: Wir sind zu den Gleisen gelaufen, erzählt eine Augenzeugin, zwei Männer lagen da und haben geschrien, wir haben gleich den Notruf gewählt. Die Leute im umgekippten Zug haben versucht, aus den Fenstern zu klettern und mit Steinen die Fenster einzuschlagen.

Angehörige warten verzweifelt

77 Menschen sind laut Behörden ums Leben gekommen. 141 sind verletzt. Sie sind in die Spitäler der Umgebung gebracht worden. Dort sind auch mobile Ambulanzen aufgebaut worden, in denen Blut gespendet werden kann. Hunderte Spanier sind dem Aufruf gefolgt. Doch noch sind nicht alle Opfer identifiziert, vor den Spitälern warten dutzende verzweifelte Angehörige: Uns fehlen zwei Tanten, sagt ein Mann, die meiner Frau und meine Tante, sie waren beide in dem Zug. Es gibt noch keine Listen der Verletzten, keine Listen der Toten, sagt eine Mutter, wir können nur warten.

Im Pilgerort Santiago de Compostela ist man entsetzt. Das für heute geplante Fest zu Ehren des Heiligen Jakobs werde nun nicht stattfinden, sagt Bürgermeister Angel Curras Fernandez:
Natürlich haben wir alle Events und lokalen Festlichkeiten abgesagt. Unter diesen Umständen sind Feiern nicht angebracht. Wir haben zwei große Gebäude für die Familienangehörigen zur Verfügung gestellt und suchen außerdem nach einem Ort, wo wir die Toten hinbringen können.

Jetzt wird untersucht, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Ersten Informationen zufolge ist der Zug viel zu schnell in die Kurve gefahren. Statt erlaubten 80 Stundenkilometern sollen es laut Augenzeugen 190 km/h gewesen sein. In den kommenden Stunden soll die Auswertung der Blackbox des Zuges mehr Aufschluss bringen. Die beiden Lokführer werden derzeit befragt, sie haben bereits zugegeben, dass der Zug zu schnell unterwegs war. Beide haben das Unglück unverletzt überlebt.