EU und Deutschland streiten über Autoabgase

In der EU geht nichts gegen Deutschland und in Deutschland geht nichts gegen die Autoindustrie. Das zeigt die Debatte um neue Abgasgrenzen. Alle Staaten haben sich auf neue, niedrigere Werte für den CO2-Ausstoß von Autos geeinigt - ohnehin schone in Kompromiss. Aber auch dieser geht den deutschen Konzernen gegen den Strich. Mit denen wollte sich ein paar Wochen vor der Wahl auch Kanzlerin Angela Merkel nicht anlegen und verhinderte die Abstimmung in letzter Minute.

Morgenjournal, 27.7.2013

Aus Brüssel berichtet ORF-Korrespondent

Merkel soll persönlich interveniert haben

Ein Jahr lang ist in der EU hart über PKW-Abgasgrenzwerte verhandelt worden. Die irische Ratspräsidentschaft hat dabei im Auftrag der Mitgliedsstaaten eine Einigung mit dem EU-Parlament erzielt. Doch die nach einem solchen Kompromiss übliche und für Ende Juni geplante Abstimmung unter den EU-Botschaftern fand nie statt.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel soll persönlich bei der irischen Ratspräsidentschaft für eine Verschiebung interveniert haben. William Todt von der Umwelt- und Verkehrs-Lobbyingorganisation "Transport and Environment": "Deutschland hat fünf verschieden Vorschläge vorgelegt, um den Kompromiss weiter zu schwächen. Vorschläge, die alle von den anderen Mitgliedsstaaten abgelehnt worden sind. Genau deswegen hat Merkel diesen letzten ziemlich brutalen Versuch gemacht, die Abstimmung überhaupt zu verhindern, weil Deutschland nicht ausreichend Stimmen hat, um die Einigung zu blockieren."

Deutsche Produzenten wollen Regeln umgehen

Konkret sollten PKW europäischer Autohersteller ab 2020 nur noch durchschnittlich 95 statt wie bisher 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürfen. "Also eigentlich Autos, die nur vier Liter Treibstoff verbrauchen, und das wäre gut für die Umwelt, aber auch für Autofahrer", erklärt William Todt. Damit dieser Schnitt überhaupt erreicht werden kann, gibt es Rabatte für die Autoindustrie für jedes verkaufte, schadstoffarme Elektroauto. Deutschland will diese Rabatte deutlich ausweiten.

Todts Vorwurf: "Der Grund, warum Deutschland und Frau Merkel den Kompromiss so ablehnen, sind zwei große deutsche Autoproduzenten, die viel Geld verdienen und eine Spezialbehandlung wollen. Die sagen, jedes Elektroauto, das wir verkaufen, soll dreifach zählen, damit der CO2-Schnitt gesenkt wird, aber die Abgase in Wirklichkeit gleich bleiben."

Noch Zeit, Verbündete zu suchen

Ewig kann auch Deutschland die Abstimmung über den ausverhandelten Kompromiss nicht hinauszögern, aber frühestens wird das Thema wieder im Herbst nach den deutschen Bundestagswahlen aktuell. Bis jetzt unterstützen nur Ungarn, Tschechien und die Slowakei offen die deutsche Position. Bis Herbst bleibt aber ausreichend Zeit, um weitere Verbündete zu suchen, glaubt William Todt von der Organisation "Transport and Environment": "Frau Merkel hat in letzter Zeit mit sehr vielen anderen EU-Regierungschefs telefoniert, vor allem mit Ländern, die in der Finanzkrise auf EU-Hilfe angewiesen waren oder sind. Wenn man sich die derzeitige Position der Stärke Deutschlands innerhalb der EU anschaut, scheint das auch funktioniert zu haben."

Egal, wie das Tauziehen um die PKW-Abgaswerte im Herbst ausgehen wird, die Tatsache dass Deutschland es schaffen kann, einen mit EU-Parlament und allen Mitgliedsstaaten ausverhandelten Kompromiss im allerletzten Moment trotz fehlender Mehrheit zu blockieren, zeigt, dass gegen Berlin in der EU derzeit nichts oder nur wenig geht.