"Paulette" - Das Gras der älteren Damen

Erfolgreiche ältere Damen im Drogengeschäft? Gut möglich, dass Ihnen diese Kombination noch aus dem Film "Grasgeflüster" bekannt ist. Nun sorgt der französische Regisseur Jerome Enricó für eine Neuauflage dieser Karriereoption.

"Paulette" heißt nicht nur seine Komödie, sondern auch die Hauptfigur, die im Alter noch einmal von vorne beginnt. Es ist die letzte Rolle für die französische Schauspielerin Bernadette Lafont, die vor einer Woche verstorben ist. Lafont war eine der Lieblingsschauspielerinnen von Claude Chabrol und prägend für die französische Nouvelle Vague.

Morgenjournal, 2.8.2013

Resolut wäre das falsche Wort, es würde Paulettes Umgangsformen beschönigen. Grob und egoistisch, derb und rassistisch trifft es schon eher. Kein Wunder, denn seit der Gatte vor zehn Jahren gestorben ist, geht es im Leben der Witwe bergab. Das eigene Restaurant musste geschlossen werden, am Gemüsemarkt rauft sich die Mindestrentnerin um Abfälle - auch schon mal mit Pfefferspray -, Fleisch gibt's schon lange nicht mehr auf dem Teller.

Ein Job muss also her, und sei es beim lokalen Drogenboss in der Pariser Vorstadt. Schon bald verfeinert Paulette das Haschisch zu köstlichen Kuchen, das Geschäft floriert, die besten Freundinnen werden zu Partnerinnen gemacht, die Konkurrenz reagiert gereizt.

Prekariat im Alter

Man muss nicht unbedingt intelligent sein, Hauptsache, man weiß sich zu helfen, nach diesem Muster überwindet Paulette die Widrigkeiten eines Lebens, das Regisseur Jerome Enrico nach gewissen Vorgaben der Wirklichkeit modelliert hat. Das sei weniger ein Film über Drogenhandel, sondern viel mehr über das Prekariat im Alter, über eine Gesellschaft, die es alten Menschen nicht erlaubt, würdevoll zu leben, meint Regisseur Enrico.

Skurrile Nebenfiguren

Sozialkritik mit Augenzwinkern ist Enricos Komödienrezept, spielerisch der Umgang mit den kontrastreichen Existenzen: einerseits hartgesottene Männer im Drogengeschäft, andererseits ältere Frauen, die geübt sind in der Kunst des Sich-Arrangierens, Sympathieträger, die immer die Nase ein wenig vorne haben.

Skurrile Nebenfiguren sind die Zugaben, ein russischer Mafia-Bosse mit der Neigung zum Infantilen, begriffsstutzige Drogencops, ein lüsterner Nachbar, oder ein Geistlicher, der mit Paulettes Machenschaften nichts zu tun haben will, aber Spenden für die Kirche nicht abgeneigt ist.

Märchenhafte Versöhnung

Am Ende erliegt Regisseur Enrico dem Zwang zur märchenhaften Versöhnung: Ausgerechnet Paulettes kleinkriminelle Karriere und vor allem der materielle Nutzen daraus, führen zur menschlichen Läuterung. Freilich, es handelt sich um eine Komödie, doch um diese Charakterwendung wirklich glauben zu können, müsste man wohl einige von Paulettes Mehlspeisen zu sich nehmen.

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