Aufregung über Ungarns Bodenreform
"Ungarischer Boden in ungarischer Hand" ist die Devise der nationalkonservativen Alleinregierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán. Und daher hat Orbán den Schutz des ungarischen Bodens jetzt auch gesetzlich verschärfen lassen, obwohl ab 1. Mai nächsten Jahres alle Übergangsbestimmungen enden, die Ungarn mit der EU zum Schutz seines Ackerlandes vor kaufwilligen EU-Ausländern vereinbart hatte.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 8.8.2013
Verschärft statt liberalisiert
Die nationalkonservative Alleinregierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán ist weiterhin nicht bereit, auch nur einen Quadratmeter Ackerland ausländischen EU-Bürgern zu überlassen – und das obwohl Ungarn mit der EU vertraglich vereinbart hat, den Bodenmarkt vollständig zu öffnen. Ab Mai nächsten Jahres, also zehn Jahre nach dem EU-Beitritt Ungarns, sollten eigentlich alle EU Bürger uneingeschränkt Ackerland in Ungarn kaufen dürfen. Das sieht der EU-Vertrag vor, den wie alle EU-Mitgliedsländer auch Ungarn unterzeichnet hat. Doch die Orbán-Regierung will EU-Bürger nach wie vor fernhalten und hat das derzeit gültige Bodengesetz nicht liberalisiert, sondern im Gegenteil sogar noch weiter verschärft.
Keine Chance für (neue) Ausländer
Die Juristen der Orbán-Regierung haben ein Bodengesetz gebastelt, das auf den ersten Blick EU-konform erscheint, bei genauerem Hinsehen aber klar erkennen lässt, dass EU-Bürger künftig kaum Chancen haben, landwirtschaftlich genutzten Boden in Ungarn zu erwerben. EU-Bürger dürfen nämlich nur dann Ackerland in Ungarn kaufen, wenn sie eine in Ungarn anerkannte Ausbildung als Landwirt nachweisen können. Welche ausländische Ausbildung letztlich anerkannt wird, muss die Regierung erst festlegen. Kann der Ausbildungsnachweis nicht erbracht werden, können EU-Bürger ungarisches Ackerland nur dann erwerben, wenn sie schon mindestens drei Jahre lang in Ungarn Landwirtschaft auf eigene Rechnung und eigenes Risiko betrieben haben.
Diese Regelung empört den österreichischen Agrargesandten in Budapest, Ernst Zimmerl: "Wer kann nachweisen, dass man in Ungarn Landwirtschaft betrieben hat? Das sind die ungarischen Landwirte und die wenigen Ausländer, die bisher schon hier sind. Ein Newcomer wird das niemals nachweisen können, dass er drei Jahre in Ungarn Landwirtschaft betrieben hat, denn er hat gar nicht die Chance, dass er reinkommt." Wie groß wäre die Aufregung in Ungarn, würde Österreich eine ähnliche Regelung für ungarische Arbeitnehmer einführen? Wie groß wären die Proteste der Orbán-Regierung, wenn beispielsweise ungarische Krankenschwestern, die in Österreich arbeiten wollen, nachweisen müssen, dass sie schon mindestens drei Jahre als Krankenschwester in einem österreichischen Spital gearbeitet haben?
Vorkaufsrechte und fixierte Preise
Doch die Orbán-Regierung hat in ihrem Bodengesetz noch weitere Hürden für Bauern aus der EU aufgestellt. Sie hat mehrere Vorkaufsrechte festgelegt. Das heißt: will jemand in Ungarn Ackerland verkaufen, dann hat zuerst einmal der Staat ein Vorkaufsrecht. Will der Staat dieses Stück Land nicht kaufen, was derzeit nur schwer vorstellbar ist, dann hat der Besitzer des Nachbargrundstücks das Vorkaufsrecht. Will der auch nicht kaufen, kommt der ortsansässige Bauer dran. Will auch der nicht, haben alle Landwirte in einem Umkreis von 20 Kilometern das Recht, das zum Verkauf angebotene Ackerland zu erwerben. Und: Sie alle haben das Recht, zu einem Preis zu kaufen, den die Grundverkehrskommission als ortsüblich erachtet. Dazu der Agrarexperte Ernst Zimmerl: "Ein ausländischer Landwirt kann nicht einmal durch einen höheren Preis diese Vorkaufsregelung ausschalten, denn die Grundverkehrskommission hat beim Preis ein Einspruchsrecht. Das ist ein Eingriff in die Vertragsfreiheit."
Zahlreiche Experten halten diese Regelungen des ungarischen Bodengesetzes, das bereits beschlossen ist und ab 1. Mai nächsten Jahres in Kraft treten soll, für EU-widrig. Das ungarische Landwirtschaftsministerium wollte gegenüber dem ORF dazu nicht Stellung nehmen. Zwei bereits fix vereinbarte Interviews wurden abgesagt.