Dawid Danilo Bartelt über einen Sehnsuchtsort

Copacabana

"Copacabana, Meeresprinzessin... Es gibt viele Strände, gleißend im Licht, doch keiner hat deinen Charme..." Dick Farney schrieb diesen Song im Jahr 1946.

Copacabana - ein Sehnsuchtsort, wie ihn Autor Dawid Danilo Bartelt nennt. Ein Ort, der über die Jahrhunderte nur ganz langsam in Besitz genommen wurde und heute zu den wohl schönsten Stadtstränden der Welt zählt.

Ein linguistischer Zufall

Der Leser erfährt allerlei Kurioses über den Namen Copacabana selbst, der auf den ersten Blick ja tatsächlich portugiesisch sein könnte: copa bedeutet Pokal oder Kelch, cabana ist die Hütte. Doch das ist ein linguistischer Zufall. Tatsächlich ist es ein Wort indigenen Ursprungs und kommt aus der Gegend rund um den Titicacasee in den Anden und bedeutet so viel wie "Ausblick ins Blaue".

Ein Ausflug an den Strand von Copacabana war lange Zeit äußerst beschwerlich, trennten doch steile Hügel das Zentrum Rios von den Stränden im Süden. Der Bau eines Tunnels, durch den eine von Eseln gezogene Straßenbahn fuhr, brachte erstmals Leben in die Gegend, eröffnet wurde er am 6. Juli 1892.

Körper in allen Variationen

Die Straßenbahn war zunächst zwischen Dünen und Palmen unterwegs, doch rasch entwickelte sich ein neuer Stadtteil, zunächst mit den damals so schicken Meerbädern. Noch hatte das Bad im Meer vor allem gesundheitliche Gründe, erst nach und nach legten die Menschen die Angst vor dem Meer ab - und nach und nach auch ihre Kleidung.

Der Autor nimmt den Leser mit auf eine bunte Reise durch die Geschichte der Bademode, aus bodenlang wird kniekurz, aus dem französischen Badeanzug, dem Maillôt, wird irgendwann der brasilianische Bikini namens Fio dental, zu Deutsch: Zahnseide, der nur das Notwendigste bedeckt.

Traditionen Brasiliens

Mit viel Lokalkolorit berichtet Dawid Danilo Bartelt von zahlreichen anderen brasilianischen Traditionen wie Candomblé, einer Naturreligion afrikanischen Ursprungs, oder dem Kampftanz Capoeira. Viele Zitate und Gespräche bereichern den Text, brasilianische Autoren und Wissenschaftler kommen genauso zu Wort wie Strandverkäufer.

Auch der Architektur Copacabanas wird in diesem Buch viel Raum gegeben. Der Bau des Hotels "Copacabana Palace" war ein Meilenstein für die städtebauliche Entwicklung, später entstanden dann die Art-déco-Gebäude - in einem davon hatte der im Vorjahr verstorbene Architekt Oscar Niemeyer sein Büro.

Geburtsort des Bossa Nova

Und wenn auch der berühmteste Bossa Nova am Nachbarstrand Ipanema spielt, so ist Copacabana doch der Geburtsort dieses Musikstils.

Der Bossa trat in den USA seinen Siegeszug an, die Clubs kamen und gingen, geblieben sind jedoch die Menschen, die im Viertel Copacabana leben. Die weißen, hellbraunen oder mittelbraunen in den Apartmenthäusern, die schwarzen in den Favelas auf den Hügeln, den morros, in prekären Verhältnissen, wenn auch mit dem besten Meerblick.

Reiseführer durch Gestern und Heute

Das Buch "Copacabana, Biografie eines Sehnsuchtsortes" liest sich wie ein historischer Reiseführer, der aber immer auch die Gegenwart miteinbezieht, es ist fundiert und gescheit geschrieben, wird nie flapsig oder anbiedernd. Wer schon einmal in Rio de Janeiro war und an der Copacabana entlang spaziert ist, fühlt sich wieder dorthin versetzt, erfreut sich an zahlreichen ironischen Hinweisen des Autors. Und wer noch nie dort war, den könnte bei der Lektüre die Sehnsucht nach diesem Ort packen.

Service

Dawid Danilo Bartelt, "Copacabana", Wagenbach Verlag