Bibelkommentar zu Lukas 12, 32 - 48
Worauf warten Sie? Auf den Urlaub, auf ein Ergebnis, auf einen geliebten Menschen, auf bessere Zeiten? Warten und wachsam sein, das ist der Auftrag der folgenden Stelle aus dem Lukas-Evangelium:
8. April 2017, 21:58
"Legt euren Gürtel nicht ab und lasst eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft. Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen. Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach - selig sind sie. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er verhindern, dass man in sein Haus einbricht. Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet."
Bitte warten und wach bleiben, so lautet kurzgefasst der Auftrag, der hinter dieser Rede Jesu steckt: Aufpassen und wachsam sein. Die Spannung halten, das Ziel nicht aus den Augen verlieren, sprungbereit sein. Dabei ist mir gerade jetzt in den heißen Sommermonaten so gar nicht danach. Vielmehr freue ich mich auf Urlaubstage. Damit verbinde ich gerade nicht Wachsamkeit sondern Entspannung, relaxen, ausschlafen, es mir gut gehen lassen oder: einfach in den Tag hinein leben. Möglichst wenig Stress, keine große Anspannung, loslassen und mich um nichts sorgen – das bedeutet für mich Urlaub. Eigentlich ist es genau das Gegenteil von dem, was Jesus in der soeben gehörten Rede von den Zuhörenden fordert. Oder doch nicht?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade der Ausstieg aus Alltagstrott und Gewohnheit meine Wachsamkeit und Aufmerksamkeit erhöht: Ich sehe Dinge, die leicht zu übersehen sind – Kleines, Leises, Unscheinbares oder selbstverständlich Gewordenes – durch den Ausstieg aus dem Alltag besser oder in neuer Weise. Das Loslassen und Entspannen schafft mir einen Raum, in dem mir Dinge neu oder anders vor Augen treten und dazu beitragen, dass ich mein Leben wieder besser ausrichten und nachjustieren kann. Ich habe Zeit und Energie über Dinge nachzudenken, die im Alltag keinen Platz finden und beiseite geschoben werden. Aber jeder Urlaub und jede Auszeit hat ein Ende und jedes Mal holt mich der Alltag wieder ein.
Doch dieses Jahr versuche ich, statt mich passiv einholen zu lassen, aktiv und bewusst in den Alltag einzusteigen. Heuer möchte ich mir etwas von der neugewonnen Aufmerksamkeit bewahren und etwas mehr Wachheit mit in meine Arbeit, in meine Beziehungen und meinen normalen Alltag nehmen. In diese Richtung weist auch der Auftrag Jesu an mich: auf ihn zu warten, das bedeutet für mich mit ihm und seiner Botschaft von der barmherzigen Gerechtigkeit Gottes in der Gegenwart und in meinem konkreten Alltag zu rechnen und dafür wachsam zu sein.
Mit dem Warten habe ich aber so meine Probleme: Ich verbinde mit Warten meistens Passivität: die Hände in den Schoß legen und möglichst stillhalten. Ein solches passives Warten wird mir schnell zur Qual: Minuten dehnen sich zu Stunden, Tage fühlen sich an wie Wochen. Und alsbald kommen mir Zweifel, ob es sich denn lohnt weiter zu warten. Ob der, auf den ich warte, überhaupt noch kommen wird? Ob ich nicht meine Zeit vertrödle? Aber was ist die Alternative? Kann man, so paradox es klingen mag, "aktiv warten"?
Ja, ich glaube das ist möglich und ich vermute sogar, dass es in der Rede Jesu gerade um ein solches aktives "Hin-Warten" geht. Das heißt, etwas zu tun und zugleich zu warten. Für mich bedeutet das, mich in der Gegenwart zu engagieren, ohne dabei das Erwartete aus den Augen zu verlieren. Das Aktiv-Sein ist dabei nicht selbst das Ziel, das liegt jenseits meines Tuns. Und trotzdem ist die Aktivität keine bloße Ablenkung sondern der Versuch, die Wartezeit zu nützen, die Zeit des Wartens aktiv zu gestalten um mich auf das Ziel vorzubereiten. So fällt es mir leichter zu warten und wachsam zu bleiben. Wachsam für die Nöte, Sehnsüchte und auch Freuden meiner Mitmenschen. Wachsam für die Spuren Gottes in dieser Welt, wachsam für Situationen, die mich zum Handeln herausfordern.
Und was ist das Ziel? Worauf warte ich eigentlich? Welchen Horizont des Wartens spannt der Bibeltext aus? Jesus spricht in dem Evangelientext des Lukas vom Hausherrn, der von einer Hochzeit wiederkehrt und meint damit vermutlich seine eigene Wiederkehr am Ende der Zeiten und das endgültige Kommen des Reiches Gottes. Das stellt diese Rede in einen sehr großen Horizont: über alle Menschen und Generationen hinweg bis zum Ende der Zeit. Bis zu diesem Zeitpunkt, den niemand genau voraussagen kann, bin ich aufgefordert, wachsam zu sein und aktiv zu warten.