Slapstick von William E. Bowman

Die Besteigung des Rum Doodle

Die Geschichte ist abenteuerlich - im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ist gleichermaßen haarsträubend wie zwerchfellerschütternd. Selbstverständlich ist sie von A bis Z erfunden, und das auf einem von Anfang bis Ende gehaltenen erzählerisch-humoristischen Niveau, das man so mancher zeitgenössischen Satire oder Parodie nur wünschen kann.

Der Brite William E. Bowman, über den man nicht allzu viel weiß, außer dass er ein passabler Bauingenieur, leidenschaftlicher Hügelwanderer - verständlich angesichts des Fehlens größerer geologischer Erhebungen auf der königlichen Insel - und ein zu Lebzeiten weitgehend erfolgloser Schriftsteller gewesen sein soll - unter anderem soll er sich in späten Jahren auch wissenschaftlich an Einsteins Relativitätstheorie abgearbeitet haben -, William E. Bowman also hat nach dem öffentlichen Wirbel rund um die Erstbesteigung des Mount Everest anno 1953 - heute würde man "Hype" dazu sagen - der grassierenden Höhen- und Expeditionsgier eine literarische Petitesse entgegen gehalten, die es wahrlich in sich hat. Titel: "Die Besteigung des Rum Doodle".

Expedition in luftige Höhen

Rum Doodle, das ist ein 12.000 Meter hoher Berg im asiatischen Yogistan, also der wirklich höchste Berg der Welt, und dieser soll von einem siebenköpfigen britischen Team erstmals erklommen werden.

Die nach strengsten Kriterien ausgewählte Expedition besteht aus bewährten Experten und ausgesuchten Gentlemen: ein Arzt, der es versteht, sich selbst in alle nur denkbaren Krankheitszustände zu begeben und diese mit zumeist hochprozentiger Medizin zu kurieren; ein Fotograf und Filmer, der mit der entsprechenden Technik mehr als nur auf Kriegsfuß steht; ein Routensucher und Funker, der sich schon bei der Vorbesprechung der Expedition in den Londoner Stadtvierteln unauffindbar verirrt hat, es dann aber doch über den Umweg Südamerika nach Yogistan geschafft hat.

Dazu ein erfahrener Bergsteiger und Offizier, den in allen Höhen- und Tiefenlagen eine bis zum Ende medizinisch unerklärliche, aber umso bedrohlichere Trägheit überfällt, sowie ein Diplomat und Linguist, der es beim ersten Zusammentreffen mit den Yogistanis mühelos schafft, einen Volksaufstand auszulösen. Weiters ein Wissenschaftler, der es mühsam aber doch zustande bringt, während der Überfahrt per und auf dem Schiff eine durchaus bemerkenswerte Höhe von 153 Fuß über dem Meerespiegel festzustellen. Ja, und letztlich der Expeditionsleiter und Ich-Erzähler. Ein absolut bravouröser Mann namens Binder, den man sich in etwa als Mischung aus Simplicissimus und Mr. Bean vorstellen kann.

Sprachliche Missverständnisse

Was nach der Ankunft dieser Expedition in Yogistan folgt, ist bestes "Monty Python"-Filmtheater, geschrieben Jahre vor dem Zustandekommen der britischen Komikertruppe. Statt 3.000 vom mitgenommenen Linguisten und Diplomaten sprachlich offenbar etwas missverständlich bestellten Trägern für den Gipfelsturm befinden sich 30.000 vor Ort. Kommuniziert wird in diesem Yogistan übrigens über Mund- und vor allem Bauchgeräusche. Wie auch immer: Die Ablöse der 25.000 reißt ein gehöriges Loch ins Expeditionsbudget, das sich im Zuge des Aufstiegs aus ahnbaren Gründen noch kräftig erweitern wird.

Am Seil, wenn man das so sagen kann, verbleibt aber der einheimische Koch, der den Bergsteigern - und mögen sie auch Briten sein - das kulinarische Fürchten lehrt.

Aber zum Aufstieg: Sobald sich eine Gletscherspalte dem Gipfelsturm entgegenstellt, verschwindet auch der erste Expeditionsteilnehmer darin. Offensichtlich ist es nur dem schon bravourös genannten Chef des Unternehmens zu verdanken, dass auch die weiteren zur Hilfe geeilten und sich selbst abseilenden Bergkameraden wieder geborgen werden konnten. Allerdings erst nachdem sie stündlich und erfolgreich um ärztliche Hilfe in Form von ärztlich mitgeschleppten Champagnerflaschen ersucht hatten - eine mehrtägige Gentlemen-Party in der Gletscherspalte, die nur durch den höchst unerschrockenen und noch höher bezahlten Einsatz der Träger ein glückliches Ende fand.

Beim Lesen Absturzgefahr!

Von Höhenmeter zu Höhenmeter, von Basislager zu Basislager, steigert sich dieses absurd-parodistische Kabinettstück des William E. Bowman, in dem Bergkameradschaften und Expeditionswahn heftigst auf die literarische Schaufel genommen werden. Ausnahmsweise lässt sich hier auch das Ende des Buchs verraten: Klar wird der Rum Doodle erstbestiegen, allerdings hat er auch zwei Gipfel: Nord und Ost.

Fazit: Nehmen Sie das Buch mit in die Berge. Lesen Sie es aber besser nicht an ausgesetzten alpinen Stellen. Die Absturzgefahr durch heftige und durchaus begründete Lachanfälle ist alles andere als gering zu schätzen.

Service

William E. Bowman, "Die Besteigung des Rum Doodle", aus dem Englischen von Wolfgang Colden und Michael Hein, Verlag Rogner & Bernhard