Frankfurt: "Street Art Brazil"

Die Stadt Frankfurt rüstet sich bereits für die Buchmesse im Oktober. Ehrengast der Messe ist heuer Brasilien. Und wie immer gibt es zum Gastland ein umfangreiches kulturelles Rahmenprogramm, das schon in den Wochen davor beginnt. Die Schirn Kunsthalle zum Beispiel richtet eine große Kunstaktion im öffentlichen Raum aus: „Street Art Brazil“. Stars der brasilianischen Graffiti-Szene haben Wände öffentlicher Gebäude im Stadtzentrum von Frankfurt bemalt. Eröffnet wurde gestern.

Morgenjournal, 5.9.2013

Graffitis auf Banken

Harsche Kritik an Profitgier und das riesengroß auf der Fassade eines Gebäudes der deutschen Sparkasse. Man geht durch eine Straßenschlucht zwischen den spiegelnden Hochhaustürmen des Frankfurter Bankenviertels und dann sieht man es: Das Männchen in sattem Orange. Vier Stockwerke hoch, mit fies verkniffenem Gesicht, das rechte Auge erinnert an einen leicht stilisierten Anus. In einer gierig krallenden Hand, zwischen Dollar- und Eurozeichen, liegt ein Sparschwein. Dieses Prachtstück des brasilianischen Graffitikünstlers Onesto hätte es wohl nie auf ein Bankgebäude in Deutschland geschafft, wäre da nicht die mächtige Schirn-Kunsthalle und ihre Aktion „Street Art Brazil“. Nach dem Wunsch des Schirn-Leiters Max Hollein sollten die Gäste aus Brasilien nicht auf irgendwelchen Brandmauern, sondern an wirklich prominenten Orten der Stadt sprayen und malen dürfen.

"Darf ich Ihre Wand bemalen?"

Normalerweise können Graffitikünstler von solchen Flächen nicht einmal träumen - nicht in den überregulierten westeuropäischen Städten. In Brasilien haben sie mehr Freiheit und eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz, erzählt Alexandre Orion aus Sao Paulo. Es sei dort relativ leicht, eine Wand zum Bemalen zu bekommen, leichter als irgendwo sonst auf der Welt, meint Orion. Als er in den 90er Jahren anfing, da klopfte er an Haustüren und fragte: "Darf ich Ihre Wand bemalen?" Und die Leute fragten: "Ist es bunt? Dann ja."

Totenschädel aus Ruß

Weniger beliebt sind nämlich die so genannten Pixadores. Sprayer, die die Stadt mit runenartigen schwarzen Zeichen überziehen und dabei unter Lebensgefahr hohe Fassaden erklettern. Ihr ungenehmigtes Tun ist Ausdruck der Rebellion gegen die krassen sozialen Unterschiede in Brasilien; dementsprechend werden sie von den Behörden gehasst und auch verfolgt. Auch Alexandre Orion hat einmal mit einem seiner berühmtesten Werke die Polizei provoziert: In einem Straßentunnel in Sao Paulo putzte er von einer rußbedeckten Wand Linien und Flächen aus dem Ruß weg. Und zwar so, dass lange Reihen von Totenschädeln stehenblieben. So wurde aus dem Tunnel quasi eine Katakombe. Die Stadtverwaltung ließ die Arbeit gleich darauf wegputzen, obwohl da nichts illegal war, denn Orion verwendete ja keine Farbe. Aber sein Rohmaterial, die Umweltverschmutzung, die sei ein Verbrechen.

Kunst im Spannungsfeld

Sonst ist Orion ein akzeptierter, ja arrivierter Künstler, der internationale Einladungen erhält und von seiner Arbeit leben kann. Er nimmt auch Aufträge aus der Werbebranche an, für Coca Cola zum Beispiel. Weltweit bewegen sich die erfolgreichsten Graffiti-Künstler in einem Spannungsfeld zwischen der Unabhängigkeit, die man mit Street Art verbindet, und einer möglichen Vereinnahmung durch Kommerz und Kunstmarkt. Die brasilianischen Künstler, die jetzt Frankfurter Außenwände besprayt haben - teils geometrisch abstrakt, teils figural - schaffen diesen Spagat offenbar. Die hohe Qualität ihrer farbenfreudigen Malereien spricht jedenfalls dafür.

Service

Schirn Kunsthalle Frankfurt - Street Art Brazil