Besuch bei Naked Lunch
In unserer Reihe "Proberaum" besuchen wir heute die Kärntner Band Naked Lunch in ihrem Studio in Klagenfurt.
27. April 2017, 15:40

(c) Ingo Pertramer
Kulturjournal, 04.09.2013
Seit mehr als 20 Jahren steht die Kärntner Band „Naked Lunch“ für heimischen Indie-Pop von internationalem Format. Benannt hat sich die Gruppe nach dem Cut-Up-Roman von William S. Burroughs. Seit 1991 arbeiten sich die Kärntner nun an den verschiedenen Spielarten des Indie-Pop ab. Fast sechs Jahre nach dem letzten Album haben „Naked Lunch“ heuer im Februar wieder ein Studioalbum vorgelegt, das von der Kritik begeistert aufgenommen worden ist.
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Panorama der Provinz
Klagenfurt, im Niemandsland zwischen Innenstadt und Wörthersee: Von kleinstädtischer Beschaulichkeit kann hier keine Rede sein. Etwas abseits, neben einer Durchfahrtsstraße, liegt der einstöckige Gebäudekomplex, den „Naked Lunch“ zu ihrer Kreativenklave gemacht haben. Von außen erinnert der Ort an eine heruntergekommene KFZ-Werkstadt. Zu viert teilt man sich die Räumlichkeiten, sagt Frontman Oliver Welter. Im ersten Stock befinden sich Studio und Proberaum der Band. In den Pausen lädt ein Balkon zum Entspannen ein. Im Hintergrund das Panorama der Karawanken. „Das ist der Vorteil der Provinz. So etwas kann man sich in Wien nicht leisten. Es ist sehr ruhig hier. Noch wichtiger: Wir können so laut sein, wie wir wollen, 24 Stunden am Tag“, sagt Oliver Welter.
Popsongs, die unter die Haut gehen
Eine Zeitlang hat Oliver Welter, der die Texte und Songs der Band schreibt, in London gelebt. Damals, in den 90er Jahren, prophezeite man „Naked Lunch“ eine Weltkarriere. Gleich zwei Majorlabels nahmen die Kärnten unter Vertrag. Doch das Album, das den großen Ruhm bringen sollte und den selbstbewussten Titel „Superstardom“ trug, floppte. Auch wenn der ganz große internationale Durchbruch ausgeblieben ist, „Naked Lunch“ steht seit mehr als 20 Jahren für elegisch schöne Popmusik, die keine Angst vor großen Gesten hat. Man gibt sich hemmungslos den zeitlosen Themen Tod, Verzweiflung und Liebe hin. Popsongs mit hohem Gänsehautfaktor, getragen von Oliver Welters Stimme, die einen eigentümlichen Reiz entfaltet, auch wenn sie manchmal zu kippen droht.
„Musik ist ein Gratisgut“
Die letzten Alben hat „Naked Lunch“ in Zamernigs Studio, dem Fuzzroom, produziert. Hier haben unter anderem auch Bands wie Kreisky und Fred Schreiber Alben aufgenommen. Seit dem Start der Band im Jahr 1991 haben sich die Produktions- und Arbeitsbedingungen für Musiker und Musikerinnen radikal verändert. Das Homerecording hat den Zugang zur Musikproduktion niederschwelliger gemacht und im Windschatten der Digitalisierung ist der Verkauf von Tonträgern dramatisch eingebrochen. Die Macht der Musikindustrie ist geschrumpft. Doch führte dieser Umbruch wirklich zur künstlerischen Selbstermächtigung der Musiker und Musikerinnen? Herwig Zamernig beurteilt die Lage der Musikschaffenden differenzierter: „Fakt ist, dass diese Majorlabelwelt vor 20 Jahren den Absprung verpasst hat und sich selbst zerstört hat, weil sie sich einfach so mächtig fühlte in ihrer Monopolstellung, dass sie mit den Auswirkungen des Internets nicht gerechnet hat. Mittlerweile ist Musik einfach ein Gratisgut, Popmusik ist kein Wirtschaftsfaktor mehr, sondern eine zu fördernde Kultursparte."
Mischpult, Verstärker, Kirchenorgeln
Neben dem üblichen Mischpult, Verstärker und anderem Studioequipment findet man in Zamernigs Studio auch zwei ausrangierte Kirchenorgeln. Sie sind verantwortlich für die düstere Klangpatina, die sich um einige Naked Lunch-Songs legt. „In den Kirchen gab es die großen Kirchenorgeln und die Organisten hatten zusätzlich ein Harmonium, um darauf zu üben. Davon haben wir hier insgesamt drei. Wir verwenden Orgelklänge gerne als Basis für Sounds“, sagt Oliver Welter.
Eine düstere Klangpatina
„Lieder so schön wie Fieberträume“, lautet der Kommentar des „Rolling Stone Magazine“ zum aktuellen „Naked Lunch“-Album „All is Fever“. Auch im fortgeschrittenen Alter verschanzt sich „Naked Lunch“ nicht hinter abgeklärten Posen. Es geht wie immer ans Eingemachte, altersweise Gelassenheit oder gar Resignation sind nicht in Sicht und das Feuer der Jugend lodert irgendwo immer noch. „All is Fever“ versteht Oliver Welter als Manifest gegen die Einkapselung im Privaten, gegen den verengten Horizont der Eigenheimexistenz: „Es ist keine Durchhalteparole, aber ein Statement dagegen, dass man sich ab einem gewissen Alter zurückzieht. Ich habe in meinem Umfeld beobachtet, dass viele Menschen ab einem gewissen Alter den eigenen Aktionsradius verengen und sich ins das Familienleben zurückziehen. Debatten, Diskurse, Lebensmodelle, die vorher wichtig waren, verlieren an Bedeutung und damit kann ich recht wenig anfangen.“, sagt Oliver Welter.