"Salon der Angst" in der Kunsthalle Wien

Vom ökologischen Kollaps bis zur Bildungs- und Finanzkrise. Durch den Blätter- und Medienwald geistern potenzielle Katastrophen. Der Angst als kollektives Szenario, aber auch als existenzielles Gefühl des Einzelnen widmet sich die Ausstellung "Salon der Angst", die heute Abend in der Kunsthalle Wien eröffnet wird.

Mittagsjournal, 5.9.2013

Wenn das Heimelige ins Unheimliche kippt

Den Salon umweht ein Hauch großbürgerlicher Gediegenheit. Als Ort einer untergegangenen Repräsentationskultur steht er für eine überschaubare Welt, für die Einkapselung in den privaten Räumlichkeiten des Wohnzimmers. Ein Ort der Diskussion, des Austauschs, der Künste. In der Kunsthalle Wien nähert man sich dem Phänomen freilich ohne nostalgischen Weichzeichner und fragt eher danach, wie und wann das Heimelige ins Unheimliche kippt. Der kanadische Künstler Zin Taylor zum Beispiel kreierte eine Tapete, nicht zufällig ein Requisit bürgerlicher Wohnkultur, deren psychedelisch anmutendes Muster ein Flechtengewächs abbildet. Befinden wir uns in einem LSD-Traum, oder bereits mitten in einem Horrortrip? Doch die Ausstellung „Salon der Angst“ will kein Horrorkabinett sein.

Die Politik der Angst

„Es ist weder ein Horrorszenario, das wir hier zeigen, noch ein Horrorfilm.“, sagt Kunsthallendirektor Nicolaus Schafhausen, der die Ausstellung „Salon der Angst“ gemeinsam mit Catherine Hug kuratiert hat. Die Ausstellung spannt einen Bogen vom individuellen Angsterlebnis bis zur politischen Instrumentalisierung von Ängsten. Bildungs- und Finanzkrise, wirtschaftlicher Abstieg, ökologischer Kollaps, Terrorgefahr. Die Angst geht um in Europa und ein anonymes Gemurmel, zu dem Film- und Fernsehbilder das optische Raster liefern, versetzt uns täglich in Angst und Schrecken. Dass die Angst wichtiger Bestandteil der politischen Rhetorik ist, zeigt sich in den polternden Zeltfestargumenten von Provinzpolitikern genauso wie auf der großen geopolitischen Bühne. Seit dem Terroranschlag vom 11. September wurden im Namen der Terrorbekämpfung nach und nach Grundrechte ausgehöhlt, die einst hart erkämpft worden sind.

„Die Auswirkungen von 9/11 sind wesentlicher Bestandteil und Motiv dieser Ausstellung. Man sieht deutlich, wie kollektive Ängste instrumentalisiert werden. In Österreich sowie in anderen europäischen Ländern muss man sich nur die Migrationsdebatte anschauen, da wird auch mit Ängsten argumentiert.“, sagt Kunsthallenchef Nicolaus Schafhausen.

Der Künstler als Archäologe

Der französische Künstler Kada Attia nähert sich dem Thema mit geradezu archäologischer Präzision. Er hat ein Archiv aufgebaut, in dem sich historische Journale und Zeitschriften aus dem 19. Jahrhundert befinden, die ein Sammelsurium ethnographischer Klischees abbilden. Aufgespießte Köpfe vor einer Moschee, die Folterung einer entblößten Frau, Menschen, die in enge Käfige gepfercht werden. Die französischen Kolonisatoren entwerfen das Bild des entfesselten wilden Afrikaners, den es zu zähmen gilt. Der Hummus für die Angst vor dem Fremden, die die französische Gesellschaft bis heute umtreibt, so der Künstler Kada Attia. „Ich bin zeitgenössischer Künstler, aber wenn ich politisch arbeite, gehe ich fast wie ein Archäologe vor. Ich suche nach der untersten Schichte, nach den Ursprüngen eines Phänomens. Man hat das Bild des Fremden als wild und gefährlich gezeichnet. Er wurde zum Kannibalen, zum Antichristen, ja zum leibhaftigen Teufel.“

In der Kunsthalle Wien hat Kader Attia eine Konstruktion aus kargen Metallregalen gebaut, die fast leer sind und die ganze Raumhöhe ausfüllen. Es ist kein lebendiger Gedächtnisspeicher, eher schon das Skelett eines Archivs, vielleicht Ausdruck des verstümmelten Wissens, das jahrhundertelang überliefert worden ist. Ab morgen ist in der Kunsthalle Wien ein Parcours zu sehen, der dem Besucher, der Besucherin vielleicht nicht gerade den Angstschweiß auf die Stirn treibt, zumindest aber dazu anregt, sich mit dem diffusen Gefühl der Angst auseinanderzusetzen. Die Ausstellung „Salon der Angst“ ist ab morgen in der Kunsthalle Wien zu sehen.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen in der Kunsthalle Wien ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

Kunsthalle Wien - Salon der Angst

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