Problem Sextäter in Wohngemeinschaften

Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen scheint ein massives Problem in einigen österreichischen Kinderheimen und Wohngemeinschaften zu sein. SOS-Kinderdorf bestätigt jetzt, dass in einer Wohngemeinschaft in Wien ein siebenjähriger Bub von einem 13-Jährigen sexuell missbraucht worden ist. Und ein Experte kritisiert, dass es in Österreich keine Wohngemeinschaften gibt, die auf Therapie und Arbeit mit jungen Sexualtätern spezialisiert sind.

Mittagsjournal, 9.9.2013

"Obhut hat versagt"

Über rund ein Jahr hinweg soll es mehrmals sexuelle Übergriffe gegeben haben an dem Siebenjährigen. Er hat sich in der SOS-Wohngemeinschaft ein Zimmer mit einem 13-jährigen geteilt, der selbst als Kind missbraucht worden sein dürfte. Nach ersten Hinweisen auf Übergriffe durch den Älteren kommen die beiden in getrennte Zimmer, bleiben aber in derselben Wohngemeinschaft - bis zum vermutlich schwersten Übergriff heuer im März. Der Anwalt der Familie des Siebenjährigen formuliert: "Der kleine Bub wurde vergewaltigt. Hier hat offensichtlich eine Obhut versagt", so Anwalt Alexander Krasser, der vom Luca-Kinderschutzverein eingeschaltet wurde.

SOS-Kinderdorf-Regionalleiter Josef Lammer hingegen sagt: "Ich würde das als sexuelle Spielerei bezeichnen, wo die beiden in der Dusche angetroffen wurden. Im Sinne einer Vergewaltigung ist das nicht gewesen." Das sei aber schon hochproblematisch, so Lammer. Der Siebenjährige kommt zur Untersuchung in ein Spital, dann zurück in die SOS-Wohngemeinschaft. Der 13-Jährige wird in eine andere Jugendwohlfahrtseinrichtung verlegt. Diese Trennung hätte viel früher erfolgen müssen, findet Anwalt Krasser: In einer ähnliche Familiensituation würde das Kind sofort abgenommen werden, so Krasser.

"Kein Einzelfall"

Aber in Österreich gebe es aus Kostengründen keine therapeutischen Spezial-Wohngemeinschaften für jugendliche Missbrauchstäter, kritisiert nun der Jugend-Sexualtherapeut Peter Wanke vom Verein Limes. Dabei seien Übergriffe in Wohngemeinschaften keine Einzelfälle, ist sich Wanke sicher. In Deutschland gebe es rund 30 Spezialeinrichtungen, wo intensiv an einer Änderung des Sexualverhaltens gearbeitet werde, so Wanke.

Auf Drängen ihres Anwalts leben der Siebenjährige und seine Stiefschwester nun seit Schulbeginn wieder bei ihrem Vater, ihm war nach dem Tod der Mutter vor zweieinhalb Jahren wegen "Überforderung" die Obsorge entzogen worden. Den Vorwurf, dass bei SOS-Kinderdorf die Obhut fahrlässig versagt habe, weist SOS-Regionalleiter Lammer aber zurück. Man habe intensiv versucht, Übergriffe durch psychologische Betreuung, Kontrolle und Beobachtung der beiden Buben zu verhindern. Ermittlungen der Polizei hätten auch keinen Hinweis auf fahrlässiges Vorgehen erbracht und seien eingestellt worden.

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