Paraflows

Zum achten Mal wird heute Abend in Wien das Festival „Paraflows“ für digitale Kunst eröffnet. Das Thema ist heuer „Open culture“, also der offene Zugang zu Technologie, Kultur und Information. Wie im Vorjahr ist das Festival auch diesmal beim Kunstverein „Das weiße Haus“ in der Argentinierstraße bis zum 13. Oktober zu Gast.

Kulturjournal, 12.09.2013

Bewusster Umgang mit Daten und Informationen

Wem gehört digitales Eigentum? Und wie geht die Gesellschaft damit um? Kann die Do-It-Yourself-Bewegung tatsächlich effektiv Widerstand gegen mächtige Konzerne leisten? Solche und andere aktuelle Fragen stehen im Zentrum des diesjährigen Paraflows, erzählt der Festivalleiter Günther Friesinger. Offene Kultur hat viele Erscheinungsformen, sagt Friesinger. Es geht um einen bewussteren Umgang mit kulturellen Ressourcen genauso wie um einen demokratischen Zugang zu Wissen und Informationen im Internet. Friesinger verweist auf Modelle im Softwarebereich, wo Unternehmen den Einsatz offener Programme finanzieren und fördern, oder auf die wissenschaftliche Praxis, Forschungsergebnisse im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dabei dürfen open culture, open source oder open data weder mit der häufig kritisierten Gratiskultur des Internets verwechselt werden, noch mit der viel diskutierten digitalen Überwachung durch Geheimdienste.

Pop up garden und Pflanzenveredlung

Die digitale und die analoge Welt fließen dabei immer mehr ineinander, zum Beispiel, wenn sich die Proteste gegen Acta oder gegen die neue EU-Saatgutverordnung via Blogs, social media-Plattformen, E-Mail oder Twitter formieren. Auch viele künstlerische Arbeiten der Festival-Ausstellung „OPEN CULTURE“ greifen diese Entwicklung auf und befassen sich mit etlichen Formen offener Kultur abseits der digitalen Realität.
Im Innenhof des weißen Hauses hat die Künstlergruppe tat ort ihren pop up garden eingerichtet. Alte Schreibtische und Kommoden werden mit Erde befüllt und zu Hochbeeten auf Beinen umfunktioniert – nur eine der künstlerischen Alternativen zu den geradlinig genormten Gurken und einheitlich gestylten Äpfeln im Supermarkt.
Die Künstlerin Simona Koch befasst sich in ihrer Videoinstallation mit dem Titel „Erbe – Paarung/Teilung“ mit den ständigen Prozessen von Wachstum und Vererbung. Die Installation macht den evolutionären Mechanismus jenseits unserer alltäglichen Zeit- und Raumwahrnehmung spürbar. Auf verschiedene, organisch geformte, weiße Skulpturen werden mittels Beamer Zellteilungen und Paarungen projiziert.
Im Nebenraum steht ein kleiner Baum, halb Rosenstock, halb Apfelbaum. Entstanden ist er durch die alte Veredelungstechnik des Pfropfens, erzählt der Künstler Niki Passath: „Der Hightech-Gedanke von Klonen und Manipulation funktioniert hier mit einer Jahrtausende alten Technik. Das Ergebnis lässt sich ganz ohne Mikroskope und Petrischalen beobachten.“ Im Keller des weißen Hauses hat Kristina Kornmüller ihre künstlerische Installation aufgebaut. Unter einer Gewächshauslampe hängen dicke Eisblöcke. Darin eingefroren sind alte Apfelsorten. Wenn die Eisblöcke schmelzen, fallen sie auf das darunterliegende Humusbeet, verfaulen, und bilden die Grundlage für neue Pflanzen.

Rahmenprogramm mit elektronischer Musik

Parallel zur Ausstellung findet auch heuer wieder ein breites Rahmenprogramm statt, darunter ein mehrtägiges Symposium und die Konzertreihe „re-composed“, bei der elektronische Musiker ihre Kompositionsformen als Wiederverarbeitung bereits vorhandener samples thematisieren. Zur Eröffnung heute Abend kann open culture mit allen Sinnen erlebt werden. Dann werden nämlich die ersten Früchte aus dem pop up garden geerntet und für das Publikum verkocht.