Fotos von Edith Tudor-Hart im Wien Museum

In Großbritannien gilt sie als eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Sozialreportage in der Zwischenkriegszeit, hierzulande ist sie weitgehend unbekannt - die gebürtige Wienerin Edith Tudor-Hart. In England hat sie auch im Exil gelebt, nachdem sie 1933 aus Wien fliehen musste - als Jüdin, Kommunistin und sowjetische Agentin. Das Wien Museum widmet Edith Tudor-Hart jetzt eine Sonderausstellung.

Mittagsjournal, 25.9.2013

Kamera als Waffe

Kriegsveteranen und Elendsquartiere, Bettler und demonstrierende Arbeitslose, Aufmärsche und Barrikaden - seit Mitte der 1920er Jahre fotografierte Edith Tudor-Hart den Wiener Alltag der Zwischenkriegszeit. Es sind unprätentiöse Bilder in einem engagierten Realismus und mit aufklärerischem Impetus. "Hauptsächlich war sie daran interessiert die Fotografie als Waffe zu benützten", bringt Wolf Suschitzky die Arbeit seiner Schwester auf den Punkt. Dem Kameramann und Fotografen, der vor wenigen Wochen seinen 101. Geburtstag gefeiert hat, ist es zu verdanken, dass ein Großteil der Negative von Edith Tudor-Hart erhalten ist.

Britische Arbeiterfotografie

Die Vorgeschichte: 1908 als Edith Suschitzky in Wien geboren, war ihre Familie eng mit der sozialdemokratischen Arbeiterkultur verbunden. Edith Suschitzky war überzeugte Kommunistin, sie studierte Fotografie am Bauhaus in Dessau und begann ihre Karriere in Wien als Fotoreporterin und politische Fotografin, und bald auch als sowjetische Agentin. Unter der Diktatur des Ständestaates wurde Edith Suschitzkys Situation in Wien immer schwieriger. 1933 wird sie verhaftet, einem drohenden Prozess entgeht sie durch die Heirat und Flucht mit dem britischen Arzt Alexander Tudor-Hart, der ebenfalls den Kommunisten nahe stand. In London setzt sie ihre Fotoarbeit fort - mit atmosphärisch dichten Sozialreportagen aus den Londoner Slums und aus dem walisischen Kohlerevier, Bilder, die die heute zu den Hauptwerken der britischen Arbeiterfotografie zählen.

Der Kurator der Schau im Wien Museum Duncan Forbes: "Technisch war sie großartig. Mit ihrer mittelformatigen Rolleiflex-Kamera konnte sie Bilder aus Hüfthöhe schießen - so konnte sie mit ihren Modellen bei der Arbeit ungehindert zu kommunizieren. Sie war in Augenkontakt, in einem Dialog mit den Menschen, die sie abgebildet hat. Und sie hatte eine gute Ausbildung in politischer Fotografie. Was in England zu dieser Zeit fotografisch passiert ist - das wirkt vergleichsweise ziemlich dilettantisch."

Einschränkung durch Geheimdienst

Wer sich allerdings bei Wikipedia über Edith Tudor-Hart informiert, erfährt vor allem etwas über ihre „Spying Activities“ in Großbritannien - in enger Verbindung mit dem legendären Spionagering der Cambridge Five, der die Sowjetunion vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1950er Jahre mit Informationen über die Kriegsstrategie und -technik der westlichen Alliierten versorgt hat. Unter ständiger Beobachtung des britischen Geheimdienstes konnte Tudor-Hart von den 50er Jahren an bis zu ihrem Tod 1973 nur mehr eingeschränkt als Fotografin arbeiten. Wolf Suschitzky berichtet von ihrer Angst vor der Geheimpolizei und einer drohenden Verhaftung. Er war es auch, der ihren Nachlass bewahrt und vor neun Jahren den Scottish National Galleries übergeben hat. Wo allerdings die Bilder entstanden sind und wen sie zeigen, das konnte man bis dato in vielen Fällen nicht rekonstruieren, sagt der Kurator Duncan Forbes, sicher sei dagegen, dass der Schlüssel zum Verständnis des Werkes von Edith Tudor-Hart in Wien liegt.

Edith Tudor-Hart. "Im Schatten der Diktaturen“ eröffnet wird. Die Ausstellung im Wien Museum wird heute Abend eröffnet, zu sehen ist sie bis zum 12. Jänner.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Wien Museum ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Wien Museum - Edith Tudor-Hart: Im Schatten der Diktaturen

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