Undine Zimmer und ihre Hartz-IV-Familie

Nicht von schlechten Eltern

"Wir haben kein Geld!" Wie es ist, wenn dieser Satz das ganze Leben und Denken bestimmt, das erzählt die deutsche Autorin Undine Zimmer. In ihrem Buch schildert die heute 32-Jährige ihr Aufwachsen als Kind langzeitarbeitsloser Eltern in Berlin.

Undine Zimmers Eltern, über Jahre arbeitslos, stammen aus einfachen Verhältnissen. Sie haben mittleres Bildungsniveau und hätten gern studiert. Für sie ist wichtig: ihre Tochter soll es tun können. Nach der frühen Trennung der Eltern fördert vor allem die alleinerziehende Mutter Interessen und ermutigt die Tochter. So ist es eine heute 32-Jährige mit Fremdsprachenkenntnissen, Auslandserfahrungen und einem abgeschlossenem Studium, die sich daran macht, über ihre Armutserfahrungen zu schreiben - anders als andere Betroffene hat sie als angehende Journalistin die Möglichkeit und Fähigkeit, das zu tun.

Nur das Notwendigste einkaufen

Was für viele selbstverständlich ist, muss in Undine Zimmers Familie detailliert kalkuliert werden. Das zeigt sich bei der Kleidung, der kargen Wohnungseinrichtung, beim Einkauf von Lebensmitteln: wohlüberlegt wird meist nur das Notwendigste gekauft. Der Mutter, einer gelernten Krankenschwester, ist es wichtig, gesund zu kochen. So sind Haferflocken als Basis für allerlei Gerichte ein prägender Geschmack der Kindheit. Genauso wie Granny Smith; einige grüne Äpfel waren immer zuhause, als Angebot bei Heißhunger auf Süßes.

Gesellschaftlicher Ausschluss

Es fehlt das Geld, um beim Kochen etwas auszuprobieren - es fehlt auch, um in allen anderen Lebensbereichen Neues zu wagen, so Undine Zimmer. Kein Geld zu haben bedeutet einen gesellschaftlichen Ausschluss, wie es Undine Zimmer auch in ihrem Buch "Nicht von schlechten Eltern - meine Hartz IV Familie" formuliert.

Die langzeitarbeitslosen Eltern haben genau damit zu kämpfen. Obwohl sie sich auf Neues einlassen und lernen - am Arbeitsmarkt fassen sie nicht Fuß. Ihrer kleinen Tochter aber öffnen sie Perspektiven. Vor allem die alleinerziehende Mutter versucht ihre eigenen Interessen weiterzugeben, ihrem Kind Begeisterungsfähigkeit und Zuversicht zu vermitteln. Es wird viel gelesen, die Bücher günstig gekauft oder ausgeliehen, klassische Musik ist wichtig. Undine Zimmer nimmt für einige Zeit Ballettstunden und Musikunterricht.

Demütigende Behördenwege

"Nicht von schlechten Eltern - meine Hartz IV Familie" erzählt auch von den Beziehungen zu anderen und darüber, wie eine ganze Gesellschaft mit jenen umgeht, die am Existenzminimum leben. Die Autorin beschreibt immer wieder die - wie sie es nennt - "Schnittstellen" zum System. Da fließen dann, wie auch an anderen Stellen des Buches - kurze Texte, Zitate und Notizen ihrer Eltern ein.

Gefühle von Ohnmacht, Selbstzweifel - die spürt die Tochter als Kind und sie wirken auch in ihrem Erwachsenenleben nach. Der Werdegang von Undine Zimmer könnte als Aufstieg gelesen werden - Kind langzeitarbeitsloser Eltern, das studiert hat, als freie Journalistin gearbeitet hat, doch wie bei all ihren Schilderungen bleibt die Autorin, darauf angesprochen, sehr differenzierend und stellt die Frage, wie Aufstieg heute zu definieren ist - über das Bildungsniveau? Oder über das Einkommen?

In "Nicht von schlechten Eltern - meine Hartz IV Familie" setzt Undine Zimmer ihre konkreten Erfahrungen auch in Beziehung zu Daten und Informationen aus der Armutsforschung. Die Autorin leitet daraus weder Kritik noch Forderungen ab - obwohl man das beim Lesen des Buches als Fazit fast noch erwartet. Auch möchte sie, da das Buch jetzt erschienen ist und diskutiert wird, kein Sprachrohr von Sozialhilfeempfängern sein.

Text: Veronika Weidinger

Service

Undine Zimmer, "Nicht von schlechten Eltern – meine Hartz IV Familie", S. Fischer

Am 15.Oktober 2013 ist die Autorin mit einer Lesung bei der Armutskonferenz in Salzburg am Podium.