Die Akimuden

Viktor Jerofejew ist eine Schlüsselfigur für das Verständnis der russischen Gegenwart. Sein neues Buch "Die Akimuden" ist eine literarische Satire auf Russland.

Es ist eine bizarre Geschichte, angesiedelt zwischen historischem Roman und Science Fiction. Viktor Jerofejew lässt die Toten auferstehen, es ist eine regelrechte Invasion - "Russland den Toten", skandieren sie und übernehmen in Moskau die Macht.

"Russland ist ein Land, in dem die Toten wütend sind auf die Lebenden. Weil so viele Unschuldige ermordet wurden und so viele wegen schlechter Lebensbedingungen gestorben sind. In diesem Buch sehen wir die Revolution der Toten. Wir müssen uns endlich unserer Geschichte stellen. Dieses Buch ist nur ein Schritt in diese Richtung", sagt Viktor Jerofejew.

"Die Akimuden" - das ist eine Tour de Force auf den Trümmern der Sowjetunion, ein Roman voller Anspielungen und Exkurse, mit Reportagen und Reiseessays, szenischen Passagen und Autobiografischem, mit einer absurden Komik, die an Gogol und Daniil Charms erinnert. Auch der Ich-Erzähler muss seine Wohnung mit den Toten teilen und als er einen Ausflug ins Jenseits unternimmt, trifft er dort nicht nur Kleopatra, sondern auch Stalin. Stalin ist noch immer in unseren Köpfen, sagt Viktor Jerofejew.

"Stalin ist eine Methode, Stalin ist eine Art, Macht zu haben und sie zu halten. Und deswegen ist es auch heute so, wenn man Chef eines Unternehmens ist, also ein Ministerium, eine Institution oder einen Verlag führt, dass man sofort beginnt, ein kleiner Stalin zu sein. Man vernichtet wahrscheinlich nicht seine Kollegen und Kolleginnen, aber man ist ziemlich brutal. Weil unter liberaler Führung würden alle aufhören zu arbeiten. Und niemand weiß, wie man dieses System verändern kann."

Neue Impulse sieht Viktor Jerofejew vor allem von Moskau ausgehen, von der aufstrebenden Generation einer produktiven, kreativen Mittelklasse und einer stärker werdenden Opposition, allerdings.

"Wir sind sehr jung in unseren demokratischen Wünschen. Wir hatten nie eine Demokratie oder liberale Werte in Russland, niemals. Immerhin kann Chodorkowski aus dem Gefängnis seine Meinung äußern. Und die Pussy-Riot Musikerin Nadeschda Tolokonnikowa konnte immerhin in einem Brief die schreckliche Situation im Lager schildern - das war davor nicht möglich, denn dann wäre mit dieser Person alles vorbei gewesen", sagt Viktor Jerofejew.

Auch wenn das Leben in Paris angenehmer ist, sagt Viktor Jerofejew, als Schriftsteller lebe er lieber in Moskau, das sei viel interessanter für die Literatur. Die Frage sei nur, wie es mit Russland weitergeht.

"Putin hat keine ideologische Basis, wie es unter dem Kommunismus war oder wie es in Europa ist, wo es diese liberale, demokratische Basis gibt. Putin ist nicht liberal, er ist nicht demokratisch und gleichzeitig ist er auch nicht kommunistisch, er ist der große Chef, aber er ist das ohne Ideologie. Putin wendet sich von europäischen Werten ab und strebt eine neue Utopie an: eine orthodoxe Zivilisation, die Vereinigung von Staat und Kirche. Ich lehne das ganz und gar ab", erklärt Viktor Jerofejew.

Viktor Jerofejew zeigt sich jedenfalls kämpferisch und optimistisch: "Russland hat aufgehört, sich nur mit Putin zu beschäftigen", meint er, "Es beschäftigt sich mit der Suche nach seiner Zukunft".

Service

Viktor Jerofejew, "Die Akimuden", aus dem Russischen von Beate Rausch, Verlag Hanser-Berlin