Alles Chimäre, aber mich unterhalt‘s!"

Die "Café Sonntag"-Glosse von Georg Biron

"Jessas, die Ott!" - "So wie die Ott! " - "Fast wie die Ott! Geh’ Trude mach das nochamoi!" - Ja! Wirklich wahr! ... So isses zugegangen in meiner Familie ... in den 1960er und 70er Jahren ... bei den Familienjausen und den Grillfesten. Immer wieder.

Die Tanten und die Nichten, die Cousinen und die Omas ... sogar meine Mutter ... alle haben sie die Elfriede Ott nachgemacht ... alle kannten sie die Texte aus der Komödie Katzenzungen auswendig ... und jede wollte besser sein als die andere, aber so wie die Ott war natürlich keine von ihnen. Die Ott war damals schon ein Star und galt bald als die Grande Dame der Wiener Volkskomödie.

"Es ist alles Chimäre, aber mich unterhalt′s", hätt’ ich sagen können ... wenn ich meinen Nestroy schon gekannt hätte ... aber den habe ich erst später durch die Ott so richtig kennen und lieben gelernt, denn die Ott hat ab 1983 jedes Jahr im Sommer auf der Burg Liechtenstein in Maria Enzersdorf bei Wien die Nestroy-Spiele serviert, bei denen sie auch immer wieder selbst mitgespielt und Regie geführt hat.

Und was die Ott dort gemacht hat ... das war immer ein echter Nestroy ... pur und unverfälscht ... das war kein ... Regie-Theater (!) ... da sind keine Männer in Nadelstreifanzügen mit Aktentaschen über die Bühne gegangen, und auch die Nestroy’schen Weiber haben keine schwarzen Seidenstrümpf’ und Spitzen-BHs angehabt ... nur dass das Theaterstück modern wirkt und nicht 150 Jahre alt ... sozusagen modern ... denn jeder, der sich auf Nestroy einlässt, der kapiert von selber, dass das die ewigen Themen des Lebens sind, die da gezeigt werden ... ewig gültige Geschichten von reich und arm ... von Liebe und Glück ... und Pech natürlich auch ... echtes Volkstheater eben, keine verlogenen Possen ... das hat uns die Ott gezeigt bei ihren Nestroy-Spielen ... dass die Werke von Nestroy philosophische Werke sind ... in einer genialen Sprache, die jeder versteht. Mein Lieblingssatz von ihm ... wenn es Sie interessiert ... ist: "Wenn olle Stricke reißen ... häng i mi auf!"

Unglaubliche 88 Jahre ist sie jetzt schon ... die Ott ... und die Nestroy-Spiele hat sie voriges Jahr an den Nagel gehängt ... wie auch ihre Bühnen-Karriere ... schuld daran ist das linke Knie, das große Schmerzen verursacht und das Theaterspielen unmöglich macht.

Die Ott hat in fast 70 Jahren im Theater in der Josefstadt oder in den Kammerspielen die Menschen immer wieder zum Lachen gebracht ... wenn sie mit ihren genialen männlichen Bühnenpartnern Ernst Waldbrunn, Alfred Böhm, Maxi Böhm oder Fritz Muliar aufgetreten ist. Obwohl ihr selbst oft gar nicht zum Lachen war. Depressionen haben sie geplagt ... sie war von dunklen Gedanken erfüllt ... das Theaterspielen, so berichtete sie einmal, das war eine Therapie für sie. Wenn sie das Publikum zum Lachen bringen konnte, dann ging es ihr selbst auch wieder besser. Zumindest eine Zeitlang.

Dass sich die Ott aber jetzt nicht zur Ruhe setzt und im Park die Tauben füttert, das liegt bei so einem wachen Geist auf der Hand. Sie ist nicht alleine ... sie hat ihren Lebensmensch ... die Fritzi ... seit fast 60 Jahren an ihrer Seite ... sie hat ihren Adoptivsohn Goran ... und ihre Hunde Anni und Pipsi und den Kater Nikolaus ...

Außerdem hat die Ott vor kurzem ein Anekdotenbuch mit dem schönen Titel "Worüber ich lache" herausgebracht und ihre neuen Gemälde der Öffentlichkeit gezeigt ... und sie unterrichtet immer noch drei Mal in der Woche an ihrer "Elfriede Ott Schauspielakademie" die jungen Menschen, die Heimweh nach der Zukunft haben und ... trotz alledem und alledem ... Schauspieler werden möchten.