Prix Europa
Mehr als tausend Medienschaffende aus 37 Ländern trafen letzte Woche in Berlin beim Prix Europa zum gemeinsamen Hören, Sehen und Bewerten zusammen. Am Wochenende wurden die besten europäischen TV-, Radio- und Online-Produktionen des Jahres mit dem renommiertesten Preis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgezeichnet.
8. April 2017, 21:58

(c) Prix Europa
Raus aus den Büros! Und hinein in die Gesellschaft, dazu animierte Frans Jennekens, Diversity-Beauftragter des Niederländischen Rundfunks seine Journalistenkollegen in Berlin. Die Stories, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk erzählen soll, finden sich draußen, mitten unter den Menschen. Oder mitten in der Natur, wie für den Dokumentarfilmer David Attenborough. Er bekam den Prix Europa für sein Lebenswerk.
"Ich denke, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine enorme Bedeutung hat und dass wir als Sender zusammenhalten müssen. Wir müssen ähnliche Ideale haben und einander helfen. Ein Festival wie der Prix Europa, auf dem nicht über Kommerz und Stars geredet wird, sondern über Prinzipien, das ist sehr wichtig", sagt David Attenborough.
Der 87Jährige David Attenborough hat unglaubliche 60 Jahre bei der BBC vorzuweisen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet er, weil er an die Unabhängigkeit glaubt, trotz Drucks aus allen politischen Richtungen. Grenzüberschreitende Programmtrends und Qualität will die Prix Europa-Direktorin Susanne Hoffmann im Mittelpunkt der Veranstaltung sehen.
"Jedes Jahr wünsche ich mir, dass es Diskussionen gibt, Mut und Ehrlichkeit. Dann habe ich immer Angst, dass die Leute nicht mehr reisen können. Wir haben überall Budget-Cuts. Es gibt keine Rundfunkanstalt auf diesem Kontinent, wo nicht Gelder gekürzt werden und gesagt wird – ach die Programm-Macher, müssen die unbedingt reisen? Und die brauchen wir ja, für die machen wir das ja!", sagt Susanne Hoffmann.
Inspiriert, bestätigt und in Frage gestellt
In einer Woche Wettbewerb gibt es Feedback, neue Ideen und gar nicht zimperliche Jurykommentare. Inspiriert, bestätigt und in Frage gestellt werden soll die journalistische Arbeit.
"Wir haben über 1000 Programm-Macher aus ganz Europa hier. Wenn Sie an die Redaktionen hineindenken, das vervielfältigt ja, da reist ein Autor und erzählt zu Hause, was er gemacht hat. Wir haben mit Sicherheit 10.000 aktive Programm-Leute auf diese Weise erreicht, und das ist eine Menge!", sagt Susanne Hoffmann.
Beste Radiodokumentation
Es ist großartig, Anerkennung bei den eigenen Kollegen zu finden, und das auf einem weltweit führenden Wettbewerb, meint Liam O´Brien. Er leitet das irische Radio-Feature und nimmt den Preis für die beste Radiodokumentation mit nach Hause. "Eine Flaschenpost" erzählt, wie im Jahr 1946 ein irisches Milchmädchen die Flaschenpost eines amerikanischen Soldaten findet und sich eine Liebesgeschichte entspinnt.
"Humor ist das schwierigste Element einer Geschichte. Wenn du andauernd über jemanden lachst, dann ändert das die ganze Dynamik der Produktion. Aber wenn du gemeinsam mit den Figuren der Geschichte lachst, wie es in “Eine Flaschenpost” der Fall ist, dann funktioniert eine Story gleich viel besser", sagt Liam O´Brien.
Bestes europäisches Hörspiel des Jahres
Eine gute Geschichte, ein packender Rhythmus und der Dialog des Autors mit der Stimme eines berühmten verstorbenen Schauspielers: So entstand das beste europäische Hörspiel des Jahres: Andy. Sein Autor, der Pole Krzysztof Czeczot, kommt jedes Jahr zum Prix Europa. In den Hör-Vorführungen und den anschließenden Diskussionen lernte er alles für seine ausgezeichnete Produktion.
"Das ist eine Geschichte über den Wahnsinn. Wahnsinn ist nicht erklärbar. Folgt einfach den Charakteren des Hörspiels, folgt der Geschichte! Ich will zeigen, dass Tonbearbeitung verrückt ist: vor dem Computer zu sitzen und immer wieder dieselben Stimmen und Sätze zu hören. Das ist Wahnsinn!", sagt Krzysztof Czeczot.
Das beste investigative Feature
"Wie alle anderen öffentlichen Sender haben wir begrenzte Geldmittel zur Verfügung. Vor einigen Jahren beschlossen wir deshalb, uns auf einige Schwerpunkte zu fokussieren, einer davon ist der investigative Journalismus. Dafür haben wir Geld, Zeit und Ressourcen eingesetzt, und das zahlt sich jetzt aus", sagt Cilla Benkö, die Generaldirektorin des Schwedischen Nationalradios.
Die investigativen Journalisten des Schwedischen Radios erzählen Geschichten, die sonst nicht erzählt würden und das erzeugt Vertrauen beim Publikum. Schweden bekommt jetzt bereits zum zweiten Mal in Folge den Prix Europa für das beste investigative Feature.
"Das ist eine ganz furchtbare Geschichte. Ein junges Mädchen wurde vergewaltigt und es stellt sich heraus, dass der Vergewaltiger eine sehr hohe Stellung innerhalb der schwedischen Polizei innehat. Ich denke nicht, dass das typisch ist für Schweden. Es ist eine tragische Geschichte und tragische Geschichten gibt es nun einmal sehr viele", sagt Cilla Benkö.
Der beste europäische Spielfilm
Den Finger auf die Wunden der Gesellschaft zu legen, aufzeigen, was nicht funktioniert, das ist für Cilla Benkö eine der wichtigsten Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Dass dabei die Wogen hochgehen können, zeigt "Unsere Mütter, unsere Väter", der beste europäische Spielfilm des Jahres 2013, der die deutsche Weltkriegs-Generation kritisch porträtiert.
Den Preis dafür nahm ZDF-Redakteur Thorsten Ritsch entgegen: "Ich persönlich habe jetzt ein ganz anderes Gefühl für Europa als vorher schon. Von daher ist der Preis auch sehr wichtig, dass wir in Kontakt bleiben, uns austauschen und Europa als Fernsehnation zusammengefasst immer weiter nach vorne bringen können."