Selten Klagen gegen Scheinselbstständigkeit

Mindestens 30.000 Österreicherinnen und Österreicher sind laut Schätzungen der Arbeiterkammer echte Dienstnehmer, auf dem Papier aber Selbstständige - Scheinselbstständige, denn die Arbeitgeber umgehen das teure Angestelltenverhältnis. Trotzdem klagen die unfreiwilligen Einpersonenunternehmer selten.

Mittagsjournal, 4.11.2013

Scheinselbstständigkeit "üblich"

"In der Branche ist das so üblich, es gibt keine festen Jobs mehr." Das hat die Sozialwissenschaftlerin und Juristin Manuela Kohl vor einigen Jahren gehört, als sie auf Werkvertragsbasis als Scheinselbstständige in einer Forschungseinrichtung im Kulturbereich zu arbeiten begann. Für sie hieß das: Kein Kündigungsschutz, kein Anspruch auf Urlaub oder Krankenstand, weniger verdienen als Angestellte und sich selbst versichern. Sie ging davon aus, dass ihre Arbeitgeberin weiß, wovon sie spricht.

Schlussendlich hat Kohl geklagt. Mehr als vier Jahre und ein Jus-Studium später hat sie Recht bekommen. Ihre Arbeitgeberin musste die Sozialversicherungsbeiträge für zwei Jahren nachzahlen.

Grund: Kostenersparnis

In ihrer Dissertation will Kohl nun erheben, wie viele Scheinselbstständige in Österreich auf Anstellung klagen. Sie vermutet es sind wenige. Das hat laut Kohl zwei Gründe. Man müsse einerseits starke Neven haben und sich auskennen. "Das andere ist, dass man es sich in der Branche verderben kann."

Die Scheinselbstständigkeit gibt es in vielen Branchen, so Kohl, vom Kultur- bis zum Pflegebereich. Vorwiegend gehe es den Arbeitgebern darum, Kosten zu sparen. Sie sparen sich die Versicherungsbeiträge, müssen weder während des Urlaubs, noch während des Krankenstands Löhne weiterzahlen.

Rechtsschutz durch Arbeiterkammer

Besonders schwierig ist es, dass sich Scheinselbstständige von niemandem wirklich vertreten fühlen, wie Manuela Kohl aus eigener Erfahrung weiß. Dabei sei die Arbeiterkammer sehr wohl Anlaufstelle, meint Doris Lutz, Expertin für Sozialpolitik. "Das Problem ist häufig, dass die Leute nicht bei uns andocken, weil sie sich als Selbstständige sehen."

Wie viele Scheinselbstständige es in Österreich gibt, ist nicht bekannt - mindestens 30.000 schätzt die Arbeiterkammer. Betroffenen rät Lutz, ihre Verträge von der Arbeiterkammer daraufhin prüfen zu lassen, ob es sich um Umgehungsverträge handelt und im Ernstfall zu klagen.