Zwangsehe: Mehr Offenheit gefordert

Zwangsverheiratung ist in Österreich noch immer ein Tabu, offizielle Zahlen gibt es nicht. Doch immer mehr Frauen suchen Hilfe, bestätigt der Verein "Orient Express", der sich um von Zwangsheirat bedrohte oder schon verheiratete Frauen kümmert. Und der Verein fordert endlich eine österreichweite Studie, um einschätzen zu können, wieviele betroffene Frauen es tatsächlich gibt.

Mittagsjournal, 6.11.2013

Nicht einmal Dunkelziffern

Eltern kaufen für ihren 17-jährigen Sohn eine 13-jährige Braut um 2.500 Euro. Das Mädchen kommt aus Bosnien nach Österreich. Nach der Heirat wird das Kind schwanger. Gestern wurden die Eltern des Burschen in erster Instanz zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt. Fälle wie dieser sind besonders drastisch, landen aber selten vor Gericht. Auch deshalb, weil es kaum Anzeigen gibt, sagt Meltem Weiland vom Verein "Orient Express", der im Vorjahr 89 Frauen betreut hat. Österreichweit werden keine Zahlen erhoben, was der Verein aber dringend fordert. Alle Bundesländer sollten in einer bundesweiten Studie zusammenarbeiten und ihre Erhebungen in den Beratungsstellen bekannt geben, damit man wenigstens eine Dunkelziffer nennen könne.

Gesetze allein sind zu wenig

Zahlen gibt es auch deshalb nicht, so Meltem Weiland, weil die Polizei Zwangsheirat als schwere Nötigung erfasst - ebenso die Gerichte. Daher müsste das Problem genau benannt und auch als Zwangsheirat bezeichnet werden. Das wäre auch ein Signal an jene, die Zwangsverheiratung noch immer als Tradition verstehen wollen, so Meltem Weiland. Das Gesetz wurde in Österreich verschärft, Zwangsheirat ist strafbar, auch wenn sie im Ausland stattfindet. Aber Gesetze reichen nicht, kritisiert man beim "Orient Express". Es brauche auch Aufklärung und Sensibilisierung.

Seit drei Monaten betreibt Orient Express in Wien eine Notwohnung. Frauen werden dort rund um die Uhr geschützt und betreut, nicht nur aus Wien, sondern auch aus den Bundesländern. Man biete ihnen Zukunftsperspektiven für ein selbständiges Leben an. Die Wohnung bietet Platz für acht Frauen, noch ist sie nicht voll belegt, beim "Orient Express" ist man aber überzeugt: Zu groß ist sie sicher nicht.