Tara Ben Jelloun zum Arabischen Frühling
Bei den Erich Fried Tagen im Wiener Literaturhaus beschäftigen sich bis Sonntag prominente in- und ausländische Autoren mit dem heurigen Thema "Welt - Wohin? Literarische Utopien/Dystopien". Unter den Gästen ist auch der französisch-marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun. Sein Thema ist in diesem Kontext der Arabische Frühling.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 8.11.2013
Bereits im Juni 2011, also acht Monate nach dem Ausbruch der Aufstände in Tunesien, hat Tahar Ben Jelloun den Essay "Arabischer Frühling" gleichzeitig in Frankreich, Italien und Deutschland veröffentlicht. Damals verglich er die Bewegung mit dem Fall der Berliner Mauer. Nichts werde danach so sein wie früher, meinte er damals.
"Es ist eine Revolution, die fortschreitet, auch wenn es dabei schmerzhafte Phasen gibt. Ich bleibe aber optimistisch, denn wie auch immer es weitergeht, wird es nie mehr so sein wie vorher, und das allein ist schon ein Gewinn."
Die Islamisten und die Revolution
Nun könnte man einwenden, dass aus diesen Aufständen die Islamisten als Sieger hervorgegangen sind. Das stimmt, meint Tahar Ben Jelloun, allerdings hätten sie, einmal an der Macht, wie in Ägypten und Tunesien, versagt, weil sie gezeigt haben, dass sie nicht die Kompetenz hätten, einen Staat zu regieren.
In Ägypten hat erst nach Massenprotesten der Bevölkerung das Militär geputscht und Mursi abgesetzt, meint Tahar Ben Jelloun, und er erinnert daran, dass in Ägypten immer schon die Militärs die wahren Machthaber waren.
Ein diabolisches Komplott
Was nun Syrien betrifft, in dem ja ein besonders brutaler Bürgerkrieg tobt, so sieht Tahar Ben Jelloun ein diabolisches Komplott, dass Präsident Assad ausgeheckt habe, mit dem Ziel die laizistische Opposition zu desavouieren.
"Ich glaube, dass dieses Komplott ausgeheckt wurde, um die Opposition mit Islamisten und Dschihadisten zu infiltrieren, die höchstwahrscheinlich von auswärts gekommen sind, um der Welt zu zeigen, dass die Zukunft Syriens islamistisch sein werde, wenn man nicht Bashar al-Assad unterstütze. Und das ist diabolisch", sagt Tahar Ben Jelloun.
Diese Strategie gelte übrigens auch für den Einsatz chemischer Waffen, um die Aufmerksamkeit von allen Massakern abzulenken, die Bashar al-Assad mit konventionellen Waffen angerichtet habe.
Islamisten sind sozial sehr präsent
Warum sind die Islamisten bei weiten Teilen der Bevölkerung, vor allem bei den Ärmeren so beliebt?
"Nun sie sind sozial sehr präsent, sehr nahe am Volk: sie haben Schulen, Spitäler-in Ägypten gibt es viele, die ganz von der Muslimbruderschaft abhängen, -sie helfen den Menschen, sie geben ihnen Geld - zehn Prozent der Religionssteuer verteilen sie unter den Armen, und so sind sie sozial viel präsenter , als jede laizistische Partei. Das ergibt einen Staat im Staat. Die Islamisten haben immer diese soziale Karte ausgespielt", sagt Tahar Ben Jelloun.
Keine Hilfe aus dem Westen
Vom Westen erwartet Tahar Ben Jelloun nichts: da verstehe man die arabische Welt nicht: "Die Amerikaner haben exzellente Spezialisten, die sogar die Landessprache beherrschen, aber die Entscheidungsträger, etwa das Pentagon, sind völlig ignorant nur merken sie das nicht!"
Der Westen und Amerika haben die Diktaturen unterstützt, erinnert Tahar Ben Jelloun, und als die gestürzt wurden, wussten sie nicht mehr, was sie tun sollten, vor allem als die Islamisten die Revolutionen an sich gerissen hatten. Und so entscheiden sie nichts. Nehmen Sie das Beispiel Syrien, sagt Tahar Ben Jelloun: da haben sie geredet-und nichts ist geschehen.