Ein philosophischer Universalreiniger für klare Verhältnisse

Putzen als Passion

Die Philosophin Nicole Karafyllis vertritt die These, dass Putzen eine zu anspruchsvolle Tätigkeit sei, um sie anderen zu überlassen. Wir sollten unseren Dreck also selber wegmachen.

Putzen ist Einstellungssache. Wenn man mit Nicole Karafyllis’ philosophischer Reinigungsfibel etwas lernen kann, dann dies. Man könnte sich nämlich vorstellen, dass man gerne die eigene Wohnung säubert. Dass man sich hingebungsvoll dem Putzen widmet und dieser Tätigkeit die Achtung und Aufmerksamkeit zukommen lässt, die ihr gebühren.

Zwei Dinge will Nicole Karafyllis ihren Leserinnen und Lesern beibringen: Schmutz ist eine existenzielle Begleitform des Lebens und in unserer Kultur genauso verdrängt wie der Tod. Und Zweitens: Putzen will gelernt sein. Es bedarf einigen Wissens, so lehrt Karafyllis, um Gegenstände wirklich gut sauber zu machen. Daher sollten wir uns das Putzen als eine professionelle, selbst zu vollziehende und zudem als eine sinnstiftende Tätigkeit vorstellen.

Putzen gehört aufgewertet, ist die Botschaft dieses Buches, und grimmig fragt sich Karafyllis, wieso es im Fernsehen Kochkurse zu sehen gibt, aber keine Putzshows:

Nicole Karafyllis ist Professorin für Philosophie und verleiht daher ihrem Thema auch eine theoretische Note. So beschreibt sie die Tatsache, dass niemals alles sauber werden kann, als "Universalismusproblem". Weil Schmutz keinen festen Ort hat, nennt sie ihn "utopisch", und als "infiniten Regress" bezeichnet sie das Ärgernis, dass beim Putzen immer etwas anderes schmutzig wird.

Um den Boden zu reinigen macht man ja den Fetzen dreckig, spült man ihn aus, wird das Waschbecken wieder schmierig, schüttet man das Abwasser ins vielleicht gerade erst gereinigte Klo, entstehen dort Schmutzränder und so fort – ad infinitum. Die philosophisch-begrifflichen Ausführungen im Buch sind gewitzt, aber nicht immer überzeugend. Viel wichtiger als die Expertise in Philosophie ist aber, dass Nicole Karafyllis auch Biologin ist. Das heißt, sie weiß, wo die Mikrobe lauert.

Karafyllis kennt ihr Metier und in seinen starken Passagen wird "Putzen als Passion" zur Aufklärungsschrift über das, was da ist, obwohl wir es nicht sehen, und über das, was nicht dort ist, wo wir es fürchten. Man sollte Mikroben eher auf dem Lichtschalter oder im Kühlschrank suchen als auf dem Toilettenrand. Es gibt also einiges zu lernen.

Wir erfahren, dass gefärbte Haare eine rauere Struktur haben als ungefärbte und Staub anders anziehen, dass man früher Perserteppiche mit Sauerkraut reinigte, dass wir irrtümlicherweise Glänzendes oder gut Riechendes für sauber halten, und dass Putzen etwas mit Druck ausüben zu tun hat, weshalb Sprühreiniger nichts nutzen und Duftspender lügen.

Richtig gut wird der Text, wenn Karafyllis in Detailrausch gerät und beschreibt, wo überall in Altbauwohnungen sich Schmutz ablagern kann, welche hygienischen Desaster Sicherheitsvorschriften und Sparmaßnahmen in öffentlichen Büroräumen anrichten, oder wie man fachkundig eine Heizung auseinandernimmt, um die innen liegenden Lamellen vom Staub zu befreien:

Man könnte Karafyllis’ penible Beschreibungen als Auswüchse eines sehr protestantisch anmutenden Putzfimmels verstehen. Doch das führt in die Irre, denn eigentlich mag sie den Schmutz. Karafyllis putzt eben gerne, das Saubermachen versteht sie als Hingabe an die Dinge. Dass sie mit dieser Vorliebe bei ihren Bekannten auf Erstaunen und Ablehnung stieß, sei Anlass für ihr Buch gewesen, schreibt sie.

In "Putzen als Passion" rechnet sie daher auch mit einer Mittelschicht ab, die ihren Schmutz so gerne an Putzfrauen delegiert und sich damit als höherwertig definiert. Verantwortung für den eigenen Schmutz zu übernehmen, wird bei Karafyllis zum politischen Programm, zur philosophischen Haltung und zum Zeichen einer neuen Avantgarde.

Karafyllis denkt barock, und diese Haltung ist sympathisch. Trotzdem ist ihr Buch auch eine rechte Plaudertasche. Es gleitet assoziativ von Sauschädelsulz zu promovierten Distinktionsgewinnlern zu Münzprägungsverfahren, fügt hier noch ein chemisches Detailwissen an, dort noch einen Witz. Das ist dann oft zu viel des Parlando, man hätte im Text durchaus etwas mehr aufräumen können. Andererseits aber gibt das Buch gute Tipps – Waschbeckenstöpsel hin und wieder in die Spülmaschine geben zum Beispiel – und es verändert tatsächlich die Perspektive. Nach der Lektüre geht man anders, eben bewusster und ein bisschen lieber ans Putzen heran.

Service

Nicole C. Karafyllis, "Putzen als Passion. Ein philosophischer Universalreiniger für klare Verhältnisse", Kulturverlag Kadmos Berlin