Olympiastadt Sotschi: Die Totalüberwachung
Kaum ein Tag vergeht, an dem die Enthüllungen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden nicht für Schlagzeilen sorgen. Russland, das dem von den USA gejagten Snowden Asyl gewährt, reagiert auf seine Art: Der Geheimdienst erhält neue Vollmachten zur Internetüberwachung. Zur Abwehr von Terror- und Spionageangriffen, wie es heißt. Auch bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Sotschi soll die gesamte Kommunikation von Gästen und Sportlern überwacht werden.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.11.2013
Die Olympia-Stadt Sotschi will sich und Russland während der Spiele von der schönsten Seite zeigen: gastfreundlich und modern. Was die Besucher der Spiele hinter der glitzernden Fassaden der aus dem Boden gestampften Hotels und Sportstätten jedoch nicht gleich bemerken dürften: dass sie unter ständiger Überwachung stehen. Der Geheimdienst FSB plant, die komplette Kommunikation von Gästen und Sportlern zu kontrollieren, von Telefongesprächen bis zum Datenverkehr im Internet. Das diene der Sicherheit, begründet der Parlamentsabgeordnete der Regierungspartei "Einiges Russland", Ruslan Gattarow: "Die ganze Welt wird auf uns schauen und Delegationen aus vielen Ländern hier sein. Es besteht die Gefahr, dass Hacker und Internet-Terroristen die Spiele stören oder zum Abbruch bringen wollen."
Der russische Journalist und Geheimdienstexperte Andrej Soldatow zweifelt jedoch daran, dass die Überwachung jeglicher Kommunikation während der Spiele allein der Terror-Abwehr dient. Im Vordergrund stehe das Ausspionieren und Überwachen. So sei es wohl kein Zufall, so Soldatov, dass der oberste Sicherheitsverantwortliche für Sotschi nicht aus der Abteilung Terror-Abwehr im Geheimdienst stamme, sondern aus der Abteilung Spionage-Abwehr.
Unterdessen soll der russische Geheimdienst FSB auch abgesehen von den Olympischen Spielen neue Befugnisse erhalten: laut einer Anordnung des Kommunikationsministeriums soll er künftig auf sämtliche Internet- und Telefonverbindungen zugreifen können. Dazu müssen die Provider spezielle Geräte installieren, die den gesamten Datenverkehr 12 Stunden lang speichern und dem Geheimdienst zur Verfügung stellen. Zudem diskutiert das Parlament ein Gesetzesprojekt, wonach der FSB auf seiner Jagd nach Terroristen und Hackern auch in sozialen Netzwerken stöbern darf.
Als Argument dafür dient auch Edward Snowden. Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter, der Spähprogramme der USA auffliegen ließ und jetzt in Russland Asyl erhalten hat. Er kommt der politischen Führung gerade recht, meint der Publizist und Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow: "Man sagt uns jetzt: seht her, wir stehen unter ständiger Beobachtung der USA, eines Landes, das nicht mit uns verbündet ist. Jetzt müssen auch wir aufrüsten, um uns zu schützen."
Kremlkritiker vermuten hinter dem groß angelegten Spionageangriff auf die Bevölkerung jedoch noch andere Ziele: das Internet ist einer der letzten Räume in Russland, in dem noch relativ frei diskutiert werden kann. Kritische Stimmen gegen die autoritäre Politik von Präsident Putin sind hier besonders laut. Mit der Totalüberwachung des Internets und seiner Benutzer können solche Stimmen leichter zum Schweigen gebracht werden.