Varujan Vosganian: "Buch des Flüsterns"

Ein Politiker, der eigentlich ein viel besserer Schriftsteller wäre - das ist der rumänische Autor und ehemalige Wirtschaftsminister Varujan Vosganian. Unter dem Titel "Das Buch des Flüsterns" legte er 2009 einen Roman vor, der nun auch auf Deutsch erschienen ist. Vosganian erzählt darin die Geschichte des Genozids, den Türken 1915 und 1916 an der armenischen Bevölkerung des osmanischen Reiches begangen hatten.

Morgenjournal, 22.11.2013

"Immer bleibt einer übrig, der erzählt. Vielleicht wird gerade er einmal der Erzähler sein", sagt der Großvater Garabet im "Buch des Flüsterns" zu seinem Enkel Varujan. Fast 50 Jahre später ist es dann so weit. Varujan Vosganian, der mittlerweile wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretene Wirtschaftsminister Rumäniens, verwebt all das, was ihm seine Familie über ihre Vergangenheit erzählt hatte, zu einem Roman. Über kleine Geschichten legt er Zeugnis ab, über das große Ganze, das 20. Jahrhundert, in dem der Völkermord an den Armeniern nur der Anfang war.

In seinem Buch erzähle er von gedemütigten Menschen, die die Geschichte nicht gelebt sondern erlitten haben, sagt Varujan Vosganian. Tatsächlich gelingt es ihm, eine Geschichte der Menschen zu schreiben, deren Namen für historische Forschungen nicht relevant sind. Wie zum Beispiel die Großväter Garabet und Setrak, die, so schreibt es Vosganian, "aus ihrem Jahrhundert bloß verstanden hatten, wie schwer es ist, in der gleichen Erde zu sterben, aus der man geboren wurde".

Er lässt sie von ertränkten Frauen berichten, die zu Tausenden im Euphrat getrieben waren, oder von verwundeten, geschwächten Kindern, die in der Wüste den Raubvögeln als Beute ausgeliefert worden waren. Eltern und Großeltern wagten die Geschichten nur im Flüsterton zu erzählen. Den Titel "Buch des Flüsterns" bekam das Buch aber aus mehreren Gründen": Flüstern bedeute Ehrlichkeit, zum Beispiel wenn man bete. Es bedeute Liebe, weil zwei Menschen, die sich nahe sind, nicht die Stimme erheben müssen.

Vosganians Protagonisten reagieren in ganz unterschiedliche Weise auf die Schrecken der Vertreibungen und Massaker. Mit Vergessen, mit Rache und mit Vergebung. Vergebung verlange die meiste Verantwortung, sagt Vosganian. Das Vergessen sei ein Monolog, das Verzeihen ein Dialog. Und dieser Dialog der Vergebung sei erstrebenswert, aber in der aktuellen Situation zwischen Armeniern und der türkischen Politik nicht möglich.

Varujan Vosganian will sein Buch bei aller Brisanz des Themas aber nicht als politisches Statement verstanden wissen. Für ihn sei das Schreiben vor allem eine Befreiung gewesen.

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Varujan Vosganian, "Das Buch des Flüsterns", Zsolnay